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Scherbenparadies

Scherbenparadies

Titel: Scherbenparadies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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Höchste Zeit, Frühstück zu machen und Vanessa zu wecken. Gestern waren die Öczans zu einer Familienfeier gegangen. Deshalb hatte Sandra sich kurz vor sechs von Nils trennen müssen, um Vanessa abzuholen. Als sie heimkam, lagen hundert Euro auf dem Küchentisch. Laura war also da gewesen. Vermutlich zehn Sekunden lang. Geld auf den Tisch gelegt und weg. Den größten Teil hatte Sandra sofort ausgegeben, hatte Lebensmittel eingekauft und endlich auch Putzzeug. Wenn Nils sie mal besuchen wollte… so wie die Wohnung aussah, konnte sie ihn nicht hereinlassen. Das Problem war der kaputte Staubsauger. Kurz entschlossen hatte Sandra sich von der Nachbarin schräg gegenüber den Staubsauger ausgeliehen und bis nachts um elf herumgewirbelt.
    Die Wohnung war sauber und aufgeräumt und roch gut. Zufrieden weckte sie Vanessa.
    Die morgendliche Routine lief in den gewohnten Bahnen. Heute begann Ayshes Unterricht erst in der zweiten Stunde. Vanessa ging allein zur Schule und war stolz darauf.
    Sandra betrat das Klassenzimmer Punkt acht gemeinsam mit Lindner.
    Mathe rauschte an ihr vorüber. Ebenso Bio, Chemie und Sozialkunde. Fünfte Stunde: Deutsch. Natürlich fragte Nils nach dem Geld für die Klassenfahrt. Natürlich schluckte sie alle ihre Gefühle für ihn hinunter und glaubte, daran zu ersticken. Gut, dass niemand sich umdrehte und guckte, welche Wogen da in der letzten Bank anbrandeten.
    Doch Nils fragte bei allen nach, deren Eltern noch nicht bezahlt hatten. Sami war dabei. Das wunderte Sandra.
    »Muss lernen, für die Prüfungen«, sagte er und blickte zu Boden.
    Okay, noch einer, dessen Eltern sich zweihundertfünfzehn Euro nicht leisten konnten. Beinahe tat er ihr leid.
    »Sandra. Was ist mit dir? Deine Mutter hat das Geld noch nicht überwiesen.« Irgendwie klang das harsch. Aber sie verstand ihn.
    »Wie stellen Sie sich das vor? Wir leben von Hartz IV. Da ist eine Klassenfahrt nach Berlin nicht drin. Ich bleibe hier und mache es wie Sami. Ich lerne für die Prüfungen.« Während sie das sagte, sah sie auf die Bank. Ziemlich sicher kannte Nils den wahren Grund.
    Auch wenn ihr das Herz blutete.
    Sie wäre so gerne bei ihm gewesen.
    Ob er das verstand?
    Als sie diese SMS bekommen hatte… Ich weiß, was du gerade tust. Bitch! … da war sie zusammengezuckt und hatte nach den Vorhängen geschielt. Sie waren zugezogen. Und doch fühlte sie sich beobachtet.
    »Was ist denn?«, hatte Nils gefragt und sie besorgt in den Arm genommen.
    »Ach, nichts.« Sie hatte ihn nicht gerne angelogen und fühlte sich nicht wohl dabei. Doch sie liebte ihn so sehr… ohne ihn wollte sie nicht mehr leben… ohne ihn wäre alles nichts.
    Niemand, niemand, niemand durfte von ihrer Liebe erfahren.
    Total idiotisch, dieser Gedanke. Denn ganz offensichtlich wusste bereits jemand davon.

33
    Sieg auf ganzer Linie! Ihr Herz jubelte. Jedes Molekül… oder waren es Atome?… egal… alle Bausteine ihres Körpers juchzten. Diese Bitch fuhr nicht mit nach Berlin! Halleluja! Salem aleikum! Gott sei gepriesen!
    Eine Woche lang würde sie Nils für sich haben. Okay. Nicht ganz. Aber tausend Gelegenheiten, ihm nah zu sein. Und ganz sicher würde er endlich erkennen, wen er tatsächlich liebte. Nicht diese Assitussi, die so dreckig und hässlich war, wie die Nacht finster, und die irgendetwas mit ihm angestellt haben musste, damit er mit ihr schlief.
    Sie stellte sich magische Tränke und aphrodisierende Pülverchen vor, die Sandra ihm unterjubelte, hörte sie Zaubersprüche wispern, in ein wallendes Hexengewand gehüllt. Warzen im Gesicht, gichtige Finger, buckliger Rücken.
    Bei dieser Vorstellung musste sie einfach grinsen. Sandra, die Hexe. Früher hätte man dich verbrannt oder ertränkt. Doch sie lebten im einundzwanzigsten Jahrhundert. Es gab andere Mittel und Wege. Beispielsweise den Umweg, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Ziel führen und Nils direkt in ihre tröstenden Arme treiben würde. Und falls das nicht klappte, gab es immer noch Plan B. Der war nach wie vor eine echt harte Nummer. Hoffentlich zwang Sandra sie nicht, ihn in die Tat umzusetzen.
    Entspannt lehnte sie sich in ihrer Bank zurück und beobachtete Nils. Jede Faser ihres Körpers sehnte sich nach ihm, so sehr, dass es wehtat. Für ihn hatte sie heute den neuen String angezogen und den neuen Push-up. Spitze blitzte hervor. Sie rekelte sich im Stuhl, zupfte den Ausschnitt ein wenig zurecht und vergewisserte sich, dass Nils das sah. Bingo. Er guckte. Kein flüchtiger Blick. Im

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