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Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition)

Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition)

Titel: Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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zufrieden.
   Es ist wirklich eine schöne Gegend. Sie würde auch dann einen enormen Eindruck hinterlassen, wenn ich sie nicht nach einem so dramatischen Tapetenwechsel vor mir sähe – und das ist vorläufig alles. Nun ja, es scheint ein vollständiger Bericht zu sein.
   Bitte achten Sie auf sich. Wir alle schicken Ihnen Grüße. L.
     
    Drei Tage später wurde Alexander in ein Moskauer Krankenhaus verlegt, und Sweta blieb an seiner Seite, während Lew nach Kalinin aufbrach, wo er seinen Wohnsitz bei der Polizei anmelden musste. Es war schwierig für die beiden, sich nach einem so kurzen Wiedersehen erneut voneinander zu trennen. Aber sie wussten, dass sie nun zusammen sein würden.
    Bevor Lew Petschora verlassen hatte, war er auf jemanden gestoßen, der ihm helfen konnte, sich im Gebiet von Kalinin niederzulassen: einen Heizer in den Werkstätten, der aus dem benachbarten Kusminskoje stammte. Er gab Lew die Adresse einer Frau, die ihn, wie der Mann versicherte, aufnehmen werde. Kusminskoje erwies sich als heruntergekommene Siedlung aus fünfzig Häusern mit einer Kirchenruine, einem Bach, einem Teich und ein paar Feldern; es war eine halbe Wegstunde von einem Bahnhof an der Strecke Moskau–Kalinin entfernt. Maria Petrowna und ihre Kinder wohnten am Dorfrand in einer schmutzigen Bauernhütte mit einem kleinen Obstgarten. Ihr ältester Sohn, der Lew helfen sollte,eine Arbeit zu finden, war nicht da, sondern befand sich als Erntearbeiter auf einer Kolchose. Lew hatte gehofft, ein Zimmer mieten zu können, aber dasjenige, das Maria ihm anbot, war so verdreckt, dass er beschloss, auf dem Heuboden zu übernachten und sich nach einer anderen Bleibe umzuschauen. Am 1. August erklärte er Sweta die Situation:
     
Die Frau habe ich rasch gefunden, aber ihr Sohn, der den Ausgangspunkt meiner Bemühungen in K[alinin] bilden sollte, ist bis zum 4. oder 5. in einer Kolchose. Also werde ich morgen selbst versuchen, die Dinge zu regeln, einen Pass 52 zu bekommen und so weiter. Heute fahre ich zunächst nach Kalinin, um etwas Tee, Süßigkeiten für die Familie, Löffel und anderes für den Haushalt zu kaufen, in dem ich für den Moment Zuflucht gefunden habe. Es sind anständige Leute – die Mutter, aus Karelien, ist 50–55 Jahre alt, und ihre jüngeren Söhne sind 18 und 14 –, aber sie führen einen sehr schlampigen Haushalt, weshalb sogar ich, der schließlich an alles gewöhnt ist, es kaum ertragen kann, länger hierzubleiben, als es die elementare Höflichkeit erfordert, nämlich ungefähr 3 Tage. Danach werde ich versuchen, ein Quartier in einer anderen Hütte zu finden. Es ist schwierig, wenn nicht unmöglich, ein eigenes Zimmer zu bekommen (was ja unser wichtigstes Anliegen ist). Morgen werde ich mir die Sache gründlich überlegen, doch für den Augenblick gebe ich mich mit Maria Petrownas Heuboden zufrieden … Die Gegend ist ziemlich eintönig, jedenfalls in der Nähe des Dorfes: Felder auf sanft geschwungenen Anhöhen und alle 1–2 Kilometer eine kümmerliche Siedlung. In den Dörfern sieht man – wie in unserem – Gärten mit Äpfeln, Kirschen und Beeren. Natürlich auch Gemüsegärten. Kirschen kosten 6–7 Rubel pro kg, Gurken 2,50. Gestern wurden mir eine Backkartoffel und eine Gurke und heute Gänseeier und Milch aufgetischt.
     
    Lew konnte erst nach Arbeit Ausschau halten, wenn er einen Pass besaß, doch da er Petschora verlassen hatte, bevor das MWD ein solches Dokument ausstellen konnte, musste er nun viel Zeit darauf verwenden, sich einen Ersatz bei der Polizei in Kalinin zu besorgen. Dies wurde durch die Tatsache erschwert, dass er außer seiner Geburtsurkunde keine der benötigten Unterlagen zur Hand hatte. »Um einen Ausweg aus diesem Teufelskreis zu finden«, schrieb er Sweta am 4. August,
     
ging ich gestern zum Chef der örtlichen MWD-Passabteilung. Er war zuerst misstrauisch, doch dann muss er bemerkt haben, dass mein Gesicht nichts als Leid widerspiegelte. Sie können sich nicht entscheiden, den Pass zu genehmigen, ohne vorher »Moskau« zu befragen. Zum Glück ist einer der Moskauer Repräsentanten zurzeit hier, und man schlug mir vor, mich an ihn zu wenden. Zu der verabredeten Stunde – 16 Uhr – hatte jedoch bereits eine andere Sitzung begonnen, und er vertröstete mich auf heute Morgen. Es ist jetzt 10 Uhr, und ich warte im Hauptpostamt, bevor ich ihn aufsuche. Das ist der Stand der Dinge.
     
    Am folgenden Tag ließ Lew den Heuboden hinter sich und wurde Untermieter in einem

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