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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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geschlüpft war.
    Unangenehm für Dr. Werner waren stets die Berichte, die er dem Polizeipräsidenten vorlegen mußte. »Na, was macht unser Kidnapper?« fragte er jedesmal. Er sagte ›unser Kidnapper‹, aber Dr. Werner spürte, daß dies jedesmal eine scharfe Spitze war.
    »Er lebt«, antwortete er dann trocken.
    »Und wie er lebt! Papa mit Kind! Trautes Heim – Glück allein!« Der Präsident wurde ernst. »Ich glaube nicht, daß er noch in Hamburg ist.«
    »Wo soll er sonst sein? Glauben Sie, der fährt mit einem Säugling in der Welt herum? Wo soll er schlafen? Wovon soll er leben? Er fällt doch überall sofort auf, wenn er mit dem Kind in einem Asyl erscheint. An alle Pennen haben wir die Plakate geklebt! Er muß hier in Hamburg irgendwo privat wohnen.«
    »Und wovon lebt er?«
    »Das ist ein neues Rätsel. Im Hafen ist er nicht mehr aufgetaucht.«
    »Bei dem Arbeitsamt?«
    »Natürlich auch nicht! Er hat weder sein Stempelgeld abgeholt, noch ist er irgendwie abgemeldet.«
    »Also aufgelöst in Luft?«
    »Man könnte es fast so nennen.«
    Der Polizeipräsident und der Kriminalkommissar sahen sich an. Beide empfanden den gleichen Gedanken, ohne ihn laut auszusprechen: Sollte dieser Frank Gerholdt klüger sein als der beste Polizeiapparat Europas? Sollte er ein geheimnisvolles Leben als ›Aktenstück schwebende Untersuchung‹ weiterführen, bis sein Fall verjährte und wieder ein Verbrechen ungesühnt mit ins Grab genommen wurde?
    Der Polizeipräsident klappte die Protokolle der bisher erfolgten Untersuchungen zu. »Lieber Dr. Werner«, sagte er ernst. »In Deutschland gibt es so etwas nicht, daß ein Mann mit einem kleinen Kind einfach untertaucht! Wir haben Meldebehörden, wir haben eine Meldepflicht! In Deutschland hängt keiner in der Luft … wir sind ein durchkonstruierter Rechtsstaat mit einer Kontrolle des kleinsten Individualismus! Irgendwo muß dieser Gerholdt auftauchen!«
    »Er kann einen anderen Namen angenommen haben.«
    »Auch eine Paßfälschung fällt eines Tages auf!«
    Dr. Werner nickte schwer. »Aber darüber können Jahre vergehen …«
    »Haben Sie Gerholdts Leben aufgerollt? Verwandte?«
    »Eine alte Tante, Schwester des Vaters, lebt in Erfurt. Sie hat von Frank seit Jahren nichts mehr gehört. Das letztemal war er zu Besuch als Quartaner der Oberrealschule. Sonst hat er keine Verwandten mehr. Er ist der typische Einzelgänger, der keinen zu fragen hat und seine Entschlüsse mit einem verblüffenden Aufwand an Intelligenz ausführt.«
    »Trotzdem!« Der Polizeipräsident gab sich nicht geschlagen. »Schicken Sie noch einmal genaue Fahndungsblätter an alle Polizeipräsidien mit der Auflage, daß der kleinste Landjäger darauf achten soll, ob ein Fremder in seinem Revier ist.«
    Dr. Werner nickte. »Ich werde es veranlassen, Herr Präsident. Aber wenn ich bemerken darf: Frank Gerholdt wird nie die Dummheit begangen haben, sich – wenn er aus Hamburg weggegangen ist – auf das Land zu begeben. Dort fällt er auf. Dort kennt jeder jeden. Das sicherste Versteck eines Verbrechers ist immer noch die Großstadt. Dort geht er in der Masse das Anonymität unter. Dort, in den Labyrinthen der Steinhaufen, achtet keiner auf den anderen.« Dr. Werner sah auf seine Hände, die in seinem Schoß lagen. »Ich habe das bestimmte Gefühl, daß Gerholdt in einer Großstadt lebt. Ihn dort zu suchen, ohne zu wissen, ob in München oder Köln, Düsseldorf oder Hannover, Dresden oder Breslau, ist wie das Abtasten eines Flugplatzes nach einem verlorenen Pfennig.«
    »Tasten Sie ab, Dr. Werner.« Der Polizeipräsident gab dem Kommissar die Hand. »Wir haben Zeit! Suchen Sie Meter um Meter Ihres ›Flugplatzes‹ ab. Fangen Sie in Hamburg an und hören Sie in Königsberg auf! Einmal haben wir ihn … und dann Gnade ihm Gott!«
    In den nächsten Tagen begann in allen norddeutschen Städten eine in der Öffentlichkeit kaum spürbare, großangelegte Überprüfungsaktion aller Einwohner. Unter Einschaltung aller Polizeireviere und listenführenden Behörden wurden die Bewohner abgeleuchtet und kontrolliert. Es war einer der grundlegenden Fehler Dr. Werners, daß er glaubte, Frank Gerholdt befinde sich noch in Norddeutschland, da er es nicht wagen würde, mit einem in ganz Deutschland gesuchten Baby eine große Reise in andere Gebiete zu unternehmen.
    Die Arbeit des Löcherbohrens ließ sich gut an. Nach einer Woche lieferte Frank Gerholdt mit einer schweren Handkarre seine Kisten mit den bearbeiteten

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