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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kümmern?«
    »Wer denn sonst?« Sie drückte ihre nassen Haare in dem Handtuch aus und seufzte wieder. »Was zahlen Sie denn dafür?«
    »Ich dachte, wöchentlich zehn Mark.«
    »Das ist anständig«, stellte Frau Möllen befriedigt fest.
    Frank Gerholdt war es, als beschiene ihn eine tropische Sonne, so heiß durchzog es ihn vor Freude. »Dann ist alles klar, Frau Möllen?« fragte er glücklich.
    »Alles, junger Mann. Arbeiten Sie unbesorgt. Ich werde auf Rita aufpassen, als sei sie meine …«
    In dieser Nacht schlief Frank Gerholdt nicht. Er lag wach und starrte an die fleckige Decke des Zimmers. Neben ihm bewegte sich Rita im Schlaf und schmatzte mit den Lippen.
    Die Angst, man könne ihm Rita wieder fortnehmen, durchzog sein Herz.
    In der gleichen Nacht stand Dr. Werner in der Laube der Kolonie ›Gute Hoffnung‹. Nach der ersten Bildveröffentlichung in den Abendzeitungen hatten ihn Nachbarn der Laube angerufen, daß ein Mann, der so aussah wie auf dem Bild in der Zeitung, nebenan gewohnt habe.
    Dr. Werner untersuchte den Raum. Auf dem Herd waren Rückstände des Breies, neben dem Bett lag eine alte Windel, die Gerholdt vergessen hatte einzupacken. Auch eine Büchse von Nestles Kindernahrung lag in dem Abfalleimer.
    »Ohne Zweifel, hier ist er untergekrochen!« Dr. Werner schüttelte den Kopf. »Er hat das Kind verpflegt wie sein eigenes. Sollte es tatsächlich einen Vaterkomplex geben?«
    Die Fahndung nach Frank Gerholdt verlief im Sande. Wohl hingen in allen Polizeidienststellen die Plakate mit dem Bild und der Beschreibung des Entführers, auch auf dem Bahnhof und an einigen öffentlichen Plätzen klebten die Plakate, aber nicht alle Zeitungen brachten das Bild. Ein Zugunglück in Frankreich und der Mord an einem Briefträger bildeten spannendere Spalten. Dort gab es sechsunddreißig Tote, der Briefträger wurde von einer Frau erdrosselt, was Anlaß zu kriminalpsychologischen Studien über die Stellung der Frau in der modernen Kriminalität gab … wen interessierte da ein kleiner Kidnapper, dem man nicht einmal einen Mord anhängen konnte? Die ›Kölnische Zeitung‹ brachte zwar das Bild Gerholdts … aber Frau Möllen und auch der Justizsekretär, wie überhaupt das ganze Haus, lasen nur den Stadt-Anzeiger, das Leib- und Magen-Blatt eines jeden aufrechten Kölners. So ging auch diese Gefahr vorbei … in drei Tagen erinnerte sich keiner mehr an das Bild, denn das Leben ging weiter, in Köln geschah genug anderes, und auch die übrige Welt sorgte für ständige Abwechslungen, die das Bild des jungen Mannes schnell überdeckten.
    In Hamburg legte Dr. Werner die Akte Gerholdt in seinen Schrank zu den ›ruhenden Fällen‹. »Die Zeit arbeitet für uns«, sagte er weise und sich selbst tröstend. »Die großen Zufälle sind die Helfer der Kriminalisten. Er kann mit dem Kind nicht weit sein, – wo sollte er schon hin? Ohne Geld, ohne Herberge? Eines Tages wird er auftauchen in seiner ganzen Armseligkeit.«
    In Köln arbeitete unterdessen Gerholdt in der Kolonne der Rohrleger. Er klebte auf schmalen Gerüsten an den Wänden der großen Kesselhäuser und Verdampfhallen der Chemischen Fabrik und schraubte die Rohrenden mit Doppeldichtungen aneinander. Oft glaubte er, verzweifeln zu müssen, wenn die zentnerschweren Röhren auf den Schultern vom Lager herangeschleppt werden mußten, an Seilen die Gerüste emporgezogen wurden, um dann auf den schwankenden Brettern montiert zu werden. An den ersten beiden Abenden schmerzten ihm die Arme und beide Schultern, als habe er den ganzen Oberkörper gequetscht. Die Knie waren weich, und wenn er saß, konnte er kaum wieder aufstehen, weil er einfach nicht mehr die Kraft besaß, seinen Körper mit den Beinen emporzustemmen. Aber wenn er dann auf Rita blickte, die gesund und fröhlich im Bett saß und mit einem Berg Holzklötzchen spielte, die er ihr gekauft hatte, biß er die Zähne zusammen und fuhr am nächsten Morgen wieder hinaus nach Kalk.
    Zehn Stunden lang Rohre legen. Zehn Stunden lang im Akkord. Aber es waren vierundfünfzig Mark in der Woche! Zweihundertsechzehn Mark im Monat! Ein Vermögen! Er war reich! Und er lebte sparsam. Er aß die billige Leber- oder Blutwurst, die der Volksmund ›Gummiwurst‹ nannte … er briet sie sich in der Pfanne mit Kartoffeln oder aß sie so mit Senf. Malzkaffee goß er sich dünn auf … ein Paket mußte lange reichen. Für jede Woche hatte er sich einen bestimmten Betrag als ›Wirtschaftsgeld‹ zurückgelegt … was

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