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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sie angespuckt hatte. Ihr Ludwig würde die Zooverwaltung sofort verklagt haben. Wegen Körperverletzung. Ja, der selige Ludwig war ein forscher Kerl und kannte die Gesetze! Sie seufzte voller Erinnerung und aß mit Genuß ihre Schwarzwälder-Kirschtorte zu Ende.
    »Ich habe mir etwas ausgedacht«, sagte Frank Gerholdt, als er sich nach dem Kuchen eine Zigarette anzündete. Eine ›Schwarz-weiß‹ zu zweieinhalb Pfennig. »Wieviel Miete zahlen Sie?«
    »Warum?« fragte Frau Möllen spitz. Sie witterte Unrat und ging in Abwehrstellung.
    »Weil ich Ihnen einen Vorschlag zu machen habe.«
    »Mit der Miete?«
    »Auch. Er hängt damit zusammen. Also, – wie hoch ist sie?«
    »Fünfundvierzig Mark.«
    »Davon bezahle ich jetzt für ein Zimmer fünfundzwanzig!«
    »Man will ja schließlich verdienen.« Frau Möllen errötete und ärgerte sich, daß sie den Preis genannt hatte.
    »Das sollen Sie, und das will ich auch. Darum hören Sie mal zu: Wir teilen uns die Miete und die Wohnung.«
    »Dann verdiene ich ja nichts mehr!«
    »Doch! Ich nehme noch ein Zimmer dazu. Und in diesem Zimmer richten wir eine Werkstatt ein.«
    Frau Möllen wandte sich ab. »Sie sind ein verdorbener Mensch! Das mir zu sagen.«
    Gerholdt biß die Lippen aufeinander, um nicht laut zu lachen. Er beugte sich über den Tisch vor und berührte Frau Möllens dicke Arme. Sie zuckte zusammen wie ein junges Mädchen beim ersten Kuß. »Hören Sie genau zu«, sagte er eindringlich. »Dieses Zimmer räumen wir aus und machen es zu einem Werkraum. Ich werde versuchen, Heimarbeit zu bekommen. Ich bin gelernter Schlosser. Ich habe meine Prüfung als Werkzeugmacher in der Tasche. Wenn wir Heimarbeit bekommen, machen Sie mit, Frau Möllen. Den Verdienst teilen wir uns! Das ist eine gute Einnahme für uns.«
    »Eine Werkstatt!« Frau Möllen fuhr herum. »Welchen Raum denn?«
    »Den neben der Küche! Der liegt am ruhigsten. Dort können wir Rita nicht stören.«
    »Das ist mein Schlafzimmer«, sagte Frau Möllen steif.
    »Das räumen wir in Ihr Wohnzimmer um. Wozu ein Wohnzimmer mit Plüschmöbeln, wenn Sie doch nur in der Küche wohnen? So haben wir Platz für die Werktische.«
    Frau Möllen verkrampfte die Hände ineinander. »Wenn das mein Ludwig wüßte«, seufzte sie. »Wo sein Bett stand, eine Werkstatt! O Gott, wie schwer sind doch die Zeiten.«
    Am Montag wurde bereits umgeräumt. In das leere Schlafzimmer stellte Gerholdt zwei alte Tische, die er aus einer Baubude in Kalk mitnahm. Er hatte sie für vier Mark das Stück gekauft und schob sie auf einem Handwagen quer durch Köln nach Riehl. Dann ließ er sich auf dem Postamt das Adreßbuch geben und schrieb sich aus dem Branchenverzeichnis alle Firmen ab, die Eisenwaren herstellten, Federn, Messingkräne, Beschläge. Jeden Tag arbeitete er jetzt nur noch neun Stunden. Die zehnte Stunde verwandte er dazu, nach einem genauen Straßenplan Firma nach Firma abzugehen und um Heimarbeit zu betteln.
    Nach zwölf Tagen, als Frau Möllen schon unter Zetern verlangte, den alten Zustand ihrer Wohnung wiederherzustellen, brachte er von einer Fabrik in Zollstock Arbeit mit. Einen kleinen Elektrotischbohrer und eine Kiste mit dünnen Stahlplättchen.
    »Wir haben es!« rief er fröhlich. »Frau Möllen – wir haben es! Wir müssen Löcher in diese Stahlplatten bohren, genau sieben dreizehntel Millimeter vom oberen Rand an und zwanzig vierzehntel Millimeter von jeder Seite ab. Je tausend Stück zehn Mark. Das Stück also einen Pfennig. Brrrr – ein Pfennig. Brrrr – ein Pfennig. Das ist der Anfang, wir haben es geschafft!«
    Frau Möllen schob die Unterlippe vor. »Löcher bohren …«, sagte sie pikiert. »Pro Loch einen Pfennig. Wenn das mein seliger Ludwig wüßte …«
    Die Arbeit der Hamburger Kriminalpolizei ruhte unterdessen keinesfalls.
    Kriminalkommissar Dr. Werner fuhr kreuz und quer durch die Hafenstadt und rollte die Spur Gerholdts auf. Seinen Optimismus, den er an die Fahndung mit Lichtbild und genauester Beschreibung geknüpft hatte, begrub er still und sich eingestehend, daß er sich verrechnet hatte. Die Trägheit der Gehirne hatte er nicht bedacht, die Denkfaulheit der Masse. Das war der große Vorsprung des Verbrechers … er dachte immer, er war immer auf der Hut, er ersann immer neue Tricks, und nur der kleine Kreis der Kriminalbeamten konnte ihm folgen, während die Masse überfahren wurde und erst zu denken begann, wenn schon der siebente Zug des Gesuchten getan und er achtmal aus den Netzen

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