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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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darüber hinaus von seinem Lohn übrig blieb, trug er weg. Frau Möllen staunte einmal mit offenem Mund, als sie auf dem Tisch ein hellrotes Buch liegen sah.
    »Sie sparen?« fragte sie, als gehe die Welt unter.
    »Ja. Für Rita. Das Sparkassenbuch lautet auf Ritas Namen.«
    »Und Sie selbst essen nur Gummiwurst? Nicht 'mal ein Bier abends?«
    »Noch nicht. Vielleicht später einmal.«
    »Sie arbeiten wie ein Tier und leben wie ein ausgestoßener Hund. Das geht auf die Dauer nicht gut. Sie müssen vernünftig essen! Sonntags mal einen Braten … das gibt Kraft.«
    »Wenn Sie ihn bezahlen, Frau Möllen.«
    Das genügte, Frau Möllen schnell aus dem Zimmer zu bringen. Pünktlich zahlte er ihr die zehn Mark Lohn für Ritas Pflege. Oft saß er abends am Fenster und rechnete auf einem Papier.
    Was brauche ich noch? Einen Kleiderschrank. Ein Kinderbett. Das zuerst. Wäsche für Rita und mich. Einen Anzug, um sonntags auch einmal ausgehen zu können. Einen Sportwagen für Rita, denn ich will sie ja auch ausfahren. Ganz nahe bei uns ist ja der Zoo und der Botanische Garten. Wie wird Rita staunen, wenn sie die Tiere sieht. Die bunten Vögel, die Kamele, die Giraffen, die Affen auf dem Felsen, die Eisbären …
    Er rechnete und rechnete und studierte in Frau Möllens Zeitung die Gelegenheitsanzeigen.
    Gebrauchter Kleiderschrank, wie neu. Vierzig Mark.
    Verkaufe Kindersportwagen, gut gepflegt. Fünfunddreißig Mark. Mit Fußsack.
    Anzug, Größe einundfünfzig, dunkelblau mit weißen Nadelstreifen. Wegen Todesfall nur fünfundzwanzig Mark.
    Er zählte sein Geld. Nicht das, was er auf der Sparkasse hatte. Das gehörte Rita. Das tastete er nicht an. Zwei Wochen lang verzichtete er auf die Margarine, kaufte nur einmal Leberwurst und anstatt der Blutwurst zwei Abschnitte Mainzer Käse. Ihm fehlten noch drei Mark … er bekam sie so und kaufte den gebrauchten Kindersportwagen mit Fußsack.
    Stolz schleppte er ihn am Sonnabend die vier Treppen hinauf. »Morgen machen wir einen Ausflug in den Zoo«, sagte er mit glänzenden Augen. Er hatte von seinem Lohn ganze vier Mark zur Seite gelegt. Es sollte ein schöner Sonntag werden. Eintritt für ihn eine Mark. Rita war ja frei. Für fünfzig Pfennig Tierfutter. Blieben zwei Mark fünfzig für Bier, Plätzchen für Rita, ein Stück Kuchen, vielleicht eine Tasse guten Kaffee. Es würde seit eineinhalb Jahren die erste Tasse Bohnenkaffee sein. O Gott, er war ja reich. Mit vierundfünfzig Mark in der Woche.
    Am Sonntag trug er den Kinderwagen wieder die Treppen hinab. Frau Möllen watschelte mit Rita hinterher. Gemeinsam verstauten sie Rita in den Fußsack und deckten sie mit Decken dick zu.
    »Sie ist noch viel zu klein für einen Sportwagen«, sagte Frau Möllen. »Sie hätten einen normalen Kinderwagen kaufen sollen.«
    Frank Gerholdt sah es ein. Aber der Kauf war getan, und besser ein Sportwagen als gar kein Wagen. Zudem schien die Sonne, es war ein warmer Herbsttag.
    »Gehen wir.« Frau Möllen wollte den Wagen nehmen, aber Gerholdt sah sie verblüfft an.
    »Rita fahre ich!« sagte er, alle Diskussionen abschneidend. »Die erste Fahrt mit Rita mache ich!«
    So gingen sie die Riehlerstraße hinunter zum Zoo. Gerholdt, den Sportwagen schiebend, Frau Möllen, ein wenig beleidigt, nebenher, den Kopf in den Nacken geworfen. Stolze Witwe eines Justizwachtmeisters.
    Im Zoo gingen sie von Käfig zu Käfig. Von den Bären zu den Affen, von den Löwen zu den Lamas. Frau Möllen, die zu nahe an das Gitter kam und deshalb von einem Lama angespuckt wurde, zog sich in die Mitte des Weges zurück und war sehr konsterniert. »Rita begreift noch gar nicht, was sie sieht«, sagte sie murrend. »Gehen wir.«
    »Meine Tochter begreift alles!« Frank Gerholdt schob den Wagen weiter zu den Giraffen. Frau Möllen blieb weit von dem Rasen stehen. Die langen Hälse der Tiere machten sie vorsichtig. »Wenn die auch spucken, gehe ich sofort nach Hause«, sagte sie störrisch.
    Es wurde ein schöner Tag. Sie saßen auf der Terrasse des Zoorestaurants, Rita knabberte an einem Milchplätzchen, Frau Möllen aß Sahnetorte und Frank Gerholdt einen Nußkuchen. Dazu tranken sie Bohnenkaffee. Er war so würzig und köstlich, daß Gerholdt ihn nur in kleinen Zügen genoß und auf der Zunge hin und her schaukelte.
    »Wie zwei Plutokraten«, stellte er lächelnd fest. »Man sieht uns nicht an, daß wir uns das abgespart haben.«
    »Ich habe eine gute Pension«, sagte Frau Möllen giftig. Sie trug seelisch noch daran, daß man

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