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Schicksal des Blutes

Schicksal des Blutes

Titel: Schicksal des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Madea
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schloss die Lider. Sie hatte recht. Er setzte einen Fuß vor den anderen, fing an zu rennen, sprang durch eine Glastür und fegte durch den Garten. Im Sprung über einen Holzzaun überlegte er es sich anders, hielt sich oben fest und verharrte in luftiger Höhe. Seine Sinne spannten sich bis zum Äußersten. Es zerrte ihn zurück ins Haus, um Amy zu beschützen, obwohl er wusste, er wollte sie nur beißen. Er verzehrte sich danach, ihr Blut noch einmal zu kosten, wollte sie vereinnahmen, sie binden, sie besitzen. Nyl drehte sich auf dem Zaun in Richtung des versteckten Bungalows. Er reckte die Nase in den Wind, witterte und lauschte.
    „Komm, Amy.“
    „Danke für Ihre Hilfe.“
    Nyl zuckte vor Qual zusammen. Amy bedankte sich für die Hilfe gegen ihn. Konnte er sich zerrissener fühlen? Schlechter? Erbärmlicher? Gab es etwas Niederträchtigeres, als einen Beschützer, der selbst die größte Bedrohung für seinen Schützling darstellte? Die Schritte von Moms Pumps und Amys niedlichen Füßen wurden leiser. Sie entfernten sich Richtung Gästebereich.
    „Seine Sucht nach femininem Blut macht ihm ganz schön zu schaffen.“
    „Du weißt es?“ Azizas Überraschung tönte echt, sanft und geschockt zugleich.
    „Ja. Sie denn nicht?“
    „Doch, aber so habe ich ihn noch nie erlebt.“
    Nyl sprang von dem hohen Zaun und spurtete zum Meer, an dessen Strand er sich bei Uzuri und ihrer Familie satt trinken würde, bis er dachte, er würde überlaufen.
     
    Nach etwa einer Stunde setzte sein Verstand wieder ein, nachdem er seine unbändige Gier auf alle weiblichen Mitglieder von Uzuris Familie verteilt hatte. Inzwischen war ihm seine Zwangslage bewusst. Aus Sorge um Amy hatte er sie mehr als in Gefahr gebracht. Auf dem Weg zurück durch den Urwald bemerkte er verwundert, dass er immer noch die Kleidung trug, die er sich nach seinem Flugzeugabsturz zusammengeklaut hatte. Er stank zwar nicht, aber dafür der Stoff. Den gesamten Tag musste er wie ein Zombie durch die Gegend gerannt sein. Eine demütigende Woge überrollte ihn. Er machte auf den Absätzen kehrt, klopfte bei derselben Familie an, stellte sich als Azizas Sohn vor und bat um eine Dusche. Wer einmal in Afrika verweilte, wusste, es gab kaum gastfreundlichere Menschen, die wenig besaßen, dennoch alles teilten. Zum Glück ging es Uzuris Großfamilie vom Neugeborenen bis zur zahnlosen Oma in Moms Obhut sehr gut, was aber sein schlechtes Gewissen allen gegenüber allenfalls marginal schmälerte.
    Er fand eine ältere Jeans und ein recht neues T-Shirt, als er aus der Duschkabine stieg. Gedanklich befand er sich bereits auf dem Weg zurück zu Amy, weshalb er wohl nicht bemerkt hatte, wie jemand die Sachen durch den Türschlitz ins Bad geschoben hatte. Er zog sie an. Sie mussten von Uzuris großem Bruder stammen, denn sie passten. Er bedankte sich herzlich bei Uzuri und jedem Anwesenden, überzeugte sich, dass es den Frauen gut ging, wechselte höflich ein paar Worte, doch dann trieb die Unruhe ihn hinaus. Sofort jagte er wie ein Gepard durch das Dickicht.
    Seit Dekaden hielt er seinen Pegel stets auf fast voll. Ihm war bewusst, dass er eine Gefahr darstellte und aus diesem Grund trank er mehrfach täglich, damit er nicht außer Kontrolle geriet. Satt zu sein hieß zwar nicht, befriedigt zu sein oder keine Gier zu verspüren, aber er behielt wenigstens für eine gewisse Zeit die Oberhand über seine Sucht.
    Nyl verlangsamte seinen Spurt und joggte auf das Waldstück zu, das Azizas weitläufiges Anwesen umschloss. Ausgerechnet vor Amy hatte er sein wahres Ich gezeigt. Er blieb stehen und stemmte die Hände gegen einen dicken Stamm. Niedergeschlagen ließ er den Kopf zwischen den Armen hängen. Er musste Amy loswerden und brachte es doch nicht über sich. Er führte sich in ihrer Gegenwart absichtlich wie ein Arschloch auf und er hatte erwartet, Amy würde auf Abstand gehen, stattdessen machte es ihn anscheinend noch interessanter und sie gierte mehr denn je nach der Story über den ‚Silver Angel‘, die es nie geben würde. Kapierte sie nicht, wie gemeingefährlich er war?
    Es schüttelte ihn vor sich selbst. Jahrzehntelang tauchte er nur sporadisch in San Francisco auf, um Jonas zu besuchen. Niemals war ihm sein Leben derart entglitten, wie es seit Amys Erscheinen der Fall war. Er empfand abgrundtiefe Abscheu vor sich. Jonas kannte gottlob seine Launen und konnte die Sucht eines Tribors nachempfinden, doch bisher hatten sie sich trotz aller Flachserei stets mit

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