Schicksal des Blutes
Respekt behandelt. Zumindest seit er sich dazu entschieden hatte. Darüber war nach und nach eine tiefe Freundschaft erwachsen, die er jetzt aufs Spiel setzte. Ny’lanes Finger krallten sich in die Baumrinde.
Der Reinblüter, der seit Kurzem als Sternträger fungierte, war und blieb sein Schicksal. Er fühlte es mit jeder Faser seines Seins, seit Jonas’ Blut ihn 1945 wachgerüttelt hatte. Kein Zufall, Schicksal! Er entschloss sich damals unter Einbeziehung aller Risiken, eine Wendung zum Positiven herbeizuführen, auf sein Schicksal und das des Sterbenden Einfluss zu nehmen. Nyl seufzte. Man sagte, das Schicksal ruhte in der eigenen Brust, doch die Wahrheit war, er fühlte sich wie ein von Göttern benutzter, machtloser Spielball.
„Verfluchte Blutgier!“ Dabei fiel ihm ein, dass Amy seit vielen Stunden nichts gegessen hatte. Glücklicherweise flippte sie nicht so aus wie er, wenn sie Hunger hatte. Er rieb sich über den Kopf und entschied spontan, auf andere Weise zu versuchen, Amy zur Vernunft zu bringen, als ihr Duft seinen Instinkt berührte.
Er schoss in Richtung Haus und runzelte die Stirn. Aziza befand sich in Amys unmittelbarer Nähe. Witterte er ihr Blut außerhalb ihres Körpers? Wie ein Intercity raste er zurück zum Bungalow. Wie hatte er sich bloß fortschicken lassen können? Vampirkodex, Ehre und Respekt den Älteren und der Familie gegenüber hin oder her, falls sie Amy auch nur ein Härchen gekrümmt hatte, würde er Mom das Teufelsfell über die Ohren ziehen.
Er setzte in einem Satz über den hohen Zaun und zwang sich zu einem normalen Tempo, als er ihre ruhigen Stimmen vernahm. Sein Herz wummerte in seiner Brust. Er drehte durch, wenn er auch nur vermutete, Amy ging es schlecht. Das musste wirklich rasch ein Ende haben. Er trat aus dem Schatten einer Palme auf die weitläufige Holzterrasse zu. „Was macht ihr hier?“
Amy und Aziza sahen sich an, grinsten und stießen an. „Reden.“
„Einen guten Wein genießen.“
„Oder zwei.“
„Lästern.“
„Oh, ja, stimmt. Über dich natürlich.“
„Ihr seid voll wie zwei Haubitzen“, grollte er mit nicht ganz ernster Stimme, weil er erleichtert war.
„Quatsch.“
Ny’lane atmete tief durch, rief sich sein neues Vorgehen ins Gedächtnis und betrat den Wintergarten, dessen aufgeschobene Glaswände die laue Abendbrise über die Blumenpracht hinwegwehen ließ. Amy und Aziza saßen nebeneinander auf einer Rattancouch und hatten die nackten Füße auf einen Glastisch gelegt, auf dem eine Flasche Rotwein stand. Die dickbauchigen Gläser hielten sie in den Händen, die Gesichter entspannt.
„Es riecht nach Blut“, brummte er leise, „nach Amys Blut.“
„Ich habe die zwei Verbände gewechselt.“ Aziza lächelte ihm zu, aber ihre Augen schienen ihn abzustrafen, so wie es nur eine Mutter vermochte. Es ging ihm durch Mark und Bein, obwohl sie doch von nichts wusste. Bisher.
Amy hob ihre verbundene Hand und lächelte ihm entgegen. Nun fühlte er sich gleich wieder schlecht, weil er ihr die Schmerzen nehmen könnte. Rasch schluckte er den Kummer hinunter und legte eine neutrale Miene auf. „Möchtest du etwas essen, Amy? Du hast doch bestimmt Hunger.“
Amys verwunderter Blick tat ihm gut, obwohl er es nicht sollte. Was er in ihrer Gegenwart tat, verwirrte ihn und es hatte stets zwei Seiten, wobei die negative überwog. Himmel Sakrament! Jetzt war es genug. Er lächelte sie aufmunternd an.
„Gern. Wenn ihr etwas dahabt. Du musst nicht extra …“
Er nickte. „Bin gleich wieder da.“ Während er dem innigen Gespräch der neuerdings dicksten Freundinnen lauschte, plünderte er den Vorratsraum und bereitete ein paar Teller mit den Delikatessen des Hauses vor. Mom verköstigte nicht nur ihre Mitarbeiter, sondern stand auf Homepartys. Bevor er auf die Idee gekommen war, Amy etwas anzubieten, hatte er nichts als Spott für Moms Tick übrig, doch nun kam es ihm entgegen.
Er drapierte die Platten auf dem Glastisch, setzte sich auf den freien Sessel, öffnete eine neue Flasche Rotwein und schenkte den Damen und sich ein. Mom bestätigte Amy, die Diamantenminen sollten verstaatlicht werden, aber sie kaufte eine nach der anderen auf, weil es die Leute zumindest momentan bei ihr besser hatten. Deshalb versuchten die Besitzer noch existierender illegaler Minen seit Jahren, ihr etwas anzuhängen oder ihr angebliche Vergehen nachzuweisen und hatten Amy wohl für einen Kurier gehalten oder halten wollen.
Nyl hob sein Glas. „Darauf, dass
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