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Schicksalspfad Roman

Schicksalspfad Roman

Titel: Schicksalspfad Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Bourne
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du?«
    »Ich bin sicher«, sagte Grace und fragte sich vage, wo Matts Hochzeit wohl stattfinden und ob es eine kleine private Feier geben würde oder eine Party mit vielen Prominenten. Nicht, dass es sie irgendwie berührte …
    Grace blieb stehen. »Ich glaube, ich muss mich setzen«, sagte sie. »Ich habe zu schnell getrunken.«
    Als sie sich auf einem nahen Stuhl niederließ, drehte sich der Raum immer noch.
    »Mir geht es nicht gut«, stöhnte sie. »Uh …«
    »Ist dir schlecht?«, fragte Joanne. »Komm, ich bring dich aufs Klo.«
    »Nein.« Grace winkte abwehrend. Dann schloss sie die Augen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Joanne.
    »Tut mir leid. Ich habe heute noch nichts gegessen und auf leeren Magen getrunken. Ich muss nach Hause …«
    »Nach Hause? Für den Rest des Abends?«
    »Ich muss mich nur ein wenig hinlegen. Ich komme aber wieder. Okay?«

    »Jesus, du bist mir ja eine«, meinte Joanne gutmütig. »Ich bringe dich heim.«
    »Danke«, sagt Grace und hielt sich den Kopf. »Ich brauche bloß frische Luft.«
    »Komm nur ja vor zwölf wieder. Ich brauche jemanden, den ich um Mitternacht küssen kann, falls Hoag mich abweist.«
    Grace ließ sich von Joanne hochhelfen und hinaus in die Kälte begleiten.

38
    S chon lange hatte Grace vergessen, was sie früher an Silvester gemacht hatte. In den Zwanzigern hatte sie sich oft damit amüsiert, bis zum elften Lebensjahr zurückzuverfolgen, was sie an diesem Abend mit wem unternommen hatte. Es war ein lustiges Spiel, eine Gedächtnisprüfung, eine Art Lebenslinie. Mit elf hatte ihr Vater die Familie nach New York gebracht, damit sie die Zeremonie auf dem Times Square sehen konnten. Jetzt lag sie hier im Dunkeln in ihrem Flanellpyjama und hoffte, dass ihr Kopf aufhören würde, sich zu drehen. Von allen Silvesterabenden ihres Lebens war der beste und kostbarste mit Gary vor vier Jahren gewesen.
    Sie hatten nichts Besonderes gemacht, und es war auch nicht sonderlich erinnerungswürdig, nur ein Essen mit anschließenden Drinks in der Stadt. Grace hatte ein Kleid, die Perlenohrringe und das Rubinhalsband getragen,
das Gary ihr geschenkt hatte. Sie hatten Austern gegessen und Champagner getrunken und sich sogar etwas gestritten, aber an den Grund konnte sie sich nicht mehr erinnern. Wie gut es mit ihm gewesen war, wie schön sich mit ihm leben ließ. Jetzt erst begriff sie den Unterschied zwischen der Solidität ihres echten Lebens und dem flüchtigen Schatten, dem Katzengold, das Echo Falls gewesen war. Sie zog das echte Dasein vor, auch wenn sie es nur einmal in ihrem Leben erfahren hatte. Illusionen waren etwas für Narren.
    Dann sah sie draußen bunte Blitze und hörte ein lautes Krachen vom Segelclub her. Anschließend tuteten sämtliche Boote. Die Farben tanzten auf Grace’ Fensterscheibe wie auf einer riesigen Kinoleinwand.
    Ihre Freundinnen schienen begriffen zu haben, wie wichtig es an einem solchen Abend der Illusionen war, praktisch zu bleiben. Grace war besonders stolz auf Cherry, die die Illusion des Abends als solche erkannt hatte: den Traum, am Silvesterabend den Lebenspartner zu treffen. Stattdessen hatte sie sich für die unvergleichlich befriedigendere Aufgabe entschieden, sich um Kranke zu kümmern, genau wie Grace am Thanksgiving-Festtag und an Weihnachten. Denn was war letztendlich lohnender und sinnvoller, als weniger Begünstigte zu trösten? Cherry würde gerade Auld Lang Syne mit den Patienten singen, die wach und gesund genug waren, um in die Halle gerollt zu werden. Dort wurde ein bisschen gefeiert, und man sah auf dem Fernseher zu, wie die große Uhr auf dem Times Square Mitternacht schlug. All diese Patienten würden die strahlende Südstaatenschönheit Cherry in Erinnerung behalten.

    Joanne wusste inzwischen auch, dass sie sich besser nicht in Träume verstrickte. Der Captain war ebenso echt und verlässlich wie ein Baum. Grace wusste noch nicht, dass Joanne entgegen ihrer Hoffnung keinen mitternächtlichen Kuss vom Captain bekam. Entweder war er unwillig oder unfähig - oder beides -, seine Zuneigung öffentlich zu zeigen, besonders vor Connie Wilberson, die ihm mitten in einem Vortrag über die Paarungsgewohnheiten der Seeschildkröten mitgeteilt hatte, dass sie, wenn sie dreißig Jahre jünger wäre, sicher ein Auge auf ihn geworfen hätte. Als Eddie dem Captain weitere Anträge von Connie ersparte, indem er sie auf die Tanzfläche führte, als Billie Holliday »These Foolish Things« sang, schlenderte der Captain zum Ende der

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