Schicksalspfad Roman
letztes Jahr mit dem Surfboard umgekippt und hatte eine Gehirnerschütterung.«
»Ich muss aufs Klo«, meinte Rick. Er löste sich aus Cherrys Umarmung, stand auf und strich das Hemd glatt. »Ihr könnt ruhig über mich reden.«
»Erst will ich einen Kuss«, sagte Cherry und bot Rick kokett eine Wange an.
Rick bückte sich und küsste sie.
»Danke«, meinte Cherry und klimperte mit den Wimpern. »Und jetzt kannst du gehen.«
Rick grinste, umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und küsste sie hart und leidenschaftlich auf den Mund. Cherry wehrte sich nicht dagegen, stand vielmehr auf und schmiegte sich in seine Arme. Ihr Lippen verschmolzen miteinander vor den Augen des gesamten Restaurants. Grace wollte etwas dagegen einwenden - es war unanständig, und sie war enttäuscht, und sie hoffte nur, dass Cherry sie weder beeindrucken noch mit ihr konkurrieren wollte.
Schließlich löste Rick sich und ging zur Toilette. Cherry sah ihm noch einen Moment lang nach und wandte sich dann verschwörerisch zu Grace.
»Rick hat mir etwas erzählt«, flüsterte sie eindringlich, während ihre Augen Grace’ Gesicht überflogen. »Aber du musst versprechen, es nicht weiterzuerzählen.«
»Okay«, versicherte Grace, doch ihr sank dabei das Herz. Sie hatte das starke Gefühl, dass Rick Cherry gefragt hatte, ob sie zu ihm zöge - oder dass Cherry mit dem Gedanken spielte. Das war das Risiko mit ledigen Frauen. Irgendwann verließen sie das Nest.
»Es geht um Matt Conner«, flüsterte Cherry.
»Wie bitte?«, fragte Grace überrascht. »Was meinst du?«
»Rick hat es von Fred erfahren, und der hat es von Dr. Daras.«
»Was ist es?«
»Nun, sie glauben, er wird dauerhaft hirngeschädigt bleiben.«
»Welche Art von Schädigung?«
»Na, du weißt. Kognitiv. Kein Erinnerungsvermögen, Probleme mit dem Sprechen. Vergessen. Die Art, wo jemand es weiß und sehr frustriert und depressiv wird. Aber nur, wenn er überhaupt aufwacht. Sie sind sich nicht sicher.«
»Und das hat Rick dir erzählt?«
»Versprich mir, es nicht weiterzuerzählen.«
»Versprochen.« Jetzt musste Grace mit zwei beunruhigenden Neuigkeiten fertig werden - der düsteren Prognose und dass man sie nicht informiert hatte. War sie denn nicht Matts Pflegerin? Sollte man sie nicht über solche Dinge informieren? Dann fiel ihr Lavender wieder ein. Man musste diese Information vor ihm geheim halten. Hoffentlich waren Fred und Daras nicht so blöd, es Lavender zu sagen, ohne sich erst mit Grace zu beraten. Lavender machte ihr mehr Sorgen als alles andere.
»Ist das nicht furchtbar?«, fragte Cherry. »So jung und so erfolgreich. Sie sagten, es würde sehr schwer für ihn, wieder zu arbeiten.«
Grace spürte, wie ihre Kehle sich zuschnürte. Sie musste hier raus - und zurück zu Matt.
»Ich muss gehen«, sagte sie, als würde ihr gerade auffallen, wie spät es war. »Bis später, ja?«
»Willst du denn nichts essen?«
Grace hatte keinen Appetit mehr. »Ich bin nicht sehr hungrig«, antwortete sie. »Und ich muss jetzt wirklich zurück.«
»Warte«, sagte Cherry, »ich wollte dich noch etwas fragen.«
Grace sah sie an. »Ja?«
Cherry zog flehend die Brauen hoch. »Wie findest du Rick?«
»Rick?«
»Er ist nicht so schlimm, Grace. Wirklich nicht.«
»Das hab ich auch nie behauptet. Jedenfalls nicht als Freund.«
»Aber als Arzt«, meinte Cherry. »Na?«
»Da war die eine schlechte Nacht. Bitte erwähne es ihm gegenüber nicht.«
»Ich möchte, dass du dich für mich freust.«
»Cherry Bordeaux! Natürlich freue ich mich für dich.«
»Bist du sicher?«
Cherry senkte den Blick. »Ich glaube, ich liebe ihn«, sagte sie. Es klang wie ein Geständnis.
»Ich weiß«, meinte Grace leise. Sie erkannte, dass Cherry da in etwas Unbekanntes hineingerissen wurde und dadurch ebenso aufgeregt wie verängstigt war.
»Er behandelt mich gut«, sagte Cherry, und Grace hörte den Protest in den Worten, das Beharren, als müsste sie Grace überzeugen - oder sich selbst.
»Natürlich«, erwiderte Grace. Sie hatte gesehen, wie zärtlich Rick Cherry behandelte. Das hatte sie überrascht. Vielleicht passten sie tatsächlich gut zueinander.
Grace spürte einen leisen Stachel aus Neid. Aber sie wünschte den beiden alles Gute, denn sie neidete anderen ihr Glück nicht wirklich.
Dann verabschiedete sie sich von Cherry und konnte das Arcadia wenige Sekunden vor Ricks Rückkehr verlassen.
21
A us den tiefsten Tiefen heraus war er in einen milchigen Nebel hochgetaucht und
Weitere Kostenlose Bücher