Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
Kapitän Cunard ein häufiger und gern gesehener Gast im Haus der Wickedes. Seine Heldentat, als er mit der Adela die Elisabeth aus Todesgefahr gerettet hatte, war tagelang das Stadtgespräch und öffnete ihm mehr als eine Tür. Doch Cunard blieb Hinrich und der Adela treu. Barbara erwartete ihn jedes Mal mit leuchtenden Augen, und Brida war sich sicher, dass seine Besuche eigentlich ihr galten, selbst wenn er meist Geschäfte mit den männlichen Familienmitgliedern vorschob.
In den letzten drei Tagen vor dem Fest ging es hoch her. Brida sah es mit Gelassenheit. Barbara hingegen ereiferte sich, als ginge es um ihre eigene Hochzeit, und war mit keinem Kleid zufrieden. Vielleicht war Brida auch nur so gelassen, weil sie längst Simons Frau war. Für sie bedeutete die große Feier lediglich eine Äußerlichkeit, die dem Ansehen ihrer neuen Familie Rechnung trug. Es war im Dom zunächst ein Dankgottesdienst für die Rettung aus Todesgefahr vorgesehen, dann würde das junge Ehepaar im Rahmen der Brautmesse noch einmal gesegnet werden. Die Trauung von Kalle und Marieke sollte schon am Morgen stattfinden, damit sie ebenfalls als Frischvermählte an der Messe teilnehmen konnten.
Erst in der letzten Nacht vor der Feier wurde Brida von der allgemeinen Aufregung ergriffen. Ruhelos lag sie neben Simon im Bett, dachte an die zahllosen Abläufe, denen sie sich zu stellen hatte, an die Gäste, den Trubel. Simon bemerkte ihre Unruhe. Sanft zog er sie an sich. Seinen rechten Arm konnte er kaum bewegen, und in Daumen und Zeigefinger hatte er kein Gefühl mehr, aber er klagte nie darüber.
»Was ist mit dir?«, flüsterte er.
»Mir graut vor morgen.«
»Mir auch«, gestand er. »Mehr als vor dem Angriff der Dänen.« Er atmete tief durch. »Weißt du, die Dänen, die durfte ich wenigstens totschlagen, aber was soll ich tun, wenn Tante Hildegard auf mich zukommt, mich an sich zieht, als wäre ich noch immer ihr fünfjähriger Neffe, zwei widerliche feuchte Küsse auf meinen Wagen verteilt und mir gute Ratschläge fürs Eheleben gibt? Und glaub mir, davon hat sie genug auf Lager – sie ist vier Mal verwitwet.«
Er schüttelte sich, und Brida musste lachen.
»Oder mein Onkel Hermann. Du hast Hermann noch nicht kennengelernt, oder?«
»Nein.«
»Nun, sei froh. Hermann kommt auf dich zu, zieht dich zur Seite und fängt an zu erzählen. Und dann erzählt er und erzählt. Und keiner will wissen, was er zu erzählen hat, weil seine Geschichten so langweilig sind. Aber aus lauter Höflichkeit kannst du den alten Mann nicht stehen lassen.«
»Gibt es noch mehr schreckliche Verwandte?«
»Ja, ganz viele.«
»Sei froh, dass wir schon verheiratet sind. Sonst würde ich mir das mit der Hochzeit noch mal überlegen.«
»Dann müsstest du aber auch auf mich verzichten. Und auf das hier …« Er küsste ihre Halsbeuge. »Und auf das …« Seine Lippen wanderten an ihrem Körper weiter hinunter.
»Also gut«, seufzte sie wohlig. »Wir werden auch Tante Hildegard und Onkel Hermann überleben.«
Der nächste Morgen begann mit allgemeiner Aufregung. Brida hatte das Gefühl, nicht mehr sie selbst zu sein. Stundenlang wurde sie vorbereitet, das kostbare Kleid aus grünem Samt und Seide um ihren Körper drapiert, das Haar geschickt geflochten und unter einer wertvollen Samthaube verborgen, die mit einem goldenen Netz und funkelnden Steinen verziert war. Im Erdgeschoss hörte sie, wie die Musiker probten. Elisabeth liebte Musik und Tanz und bestand darauf, jedes einzelne Stück vorher einmal zu hören. Zahlreiche Kinder, die zu irgendwelchen Vettern und Basen von Simon gehörten, tollten mit dem kleinen Thomas um die Wette.
Brida beneidete Simon, der mit ihrem Vater im Nebenzimmer Schach spielte, um die Zeit zu überbrücken. Warum waren Männer immer viel früher fertig mit dem Ankleiden? Das Leben war ungerecht.
Barbara stürmte in Bridas Ankleidezimmer.
»Ich suche meine Halskette«, jammerte sie. »Die mit den Granaten.«
»Ich habe sie nicht gesehen.«
Sogleich verschwand Barbara wieder.
Im Erdgeschoss verstummte die Musik. Elisabeth eilte ins Zimmer. Natürlich war sie wie immer die vollkommene Hausherrin.
»Seid ihr noch nicht fertig?«, fragte sie die Zofe, die Brida beim Ankleiden half. »Wir haben nicht mehr viel Zeit.«
Sie zupfte selbst am Saum von Bridas Kleid herum. »So, nun sieht alles ganz ordentlich aus.« Dann rief sie nach Jannick.
»Was gibt’s?« Simons Bruder betrat den Raum mit aufgekrempelten
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