Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
Hemdsärmeln.
»Wieso bist du noch nicht fertig? Willst du etwa dieses Hemd anbehalten?«
Hastig rollte Jannick die Ärmel hinunter. »Ja, wieso nicht?«
»Ich habe dir alles zurechtgelegt. Dein Bruder feiert heute seine Eheschließung, da kannst du nicht wie ein Krämer herumlaufen.«
Im Stillen betete Brida, dass sie niemals so werden möge wie Elisabeth, wenn später eines ihrer eigenen Kinder Hochzeit feierte. Es erschien ihr wie eine Erlösung, als ihr Vater und Simon endlich kamen und alle gemeinsam zum Dom zogen.
Während des Gottesdienstes bemerkte Brida, dass ihre Gedanken immer wieder abschweiften und kaum der Messe folgten. Tatsächlich beobachtete sie die Menschen ringsum. Cunard war da, tadellos gekleidet, wie sie es nicht anders erwartet hätte. Natürlich Kalle und Marieke, als frisch vermähltes Paar. Das Kleid, das Marieke trug, ließ nicht im Geringsten vermuten, dass sie eine Magd war. Vermutlich hatte Kalle den teuren Stoff über die ihm bekannten Wege nach Lübeck geschafft. Sie musste sich unter den feinen Leuten nicht schämen.
Nachdem der Gottesdienst vorüber und die Brautleute noch einmal gesegnet worden waren, reichte Simon Brida artig den Arm.
»Folge mir einfach«, raunte er ihr zu. »Da vorn entlang, dann sieht Tante Hildegard uns nicht.«
Brida musste ein Lächeln unterdrücken. Simon bewegte sich in diesem Umfeld genauso vorausschauend, als befände er sich in Feindesland. Seine Kenntnis in Kriegsdingen kam ihm auch hier zugute, denn sie erreichten die festlich geschmückte Halle seines Vaterhauses, ohne den beiden berüchtigten Verwandten in die Arme zu laufen.
Beim Anblick des Festsaals waren alle Sorgen vergessen. Eine große Tafel erwartete die Brautleute und ihre Gäste. Im Hintergrund spielten die Musikanten. Brida sah, dass es Barbara gelungen war, die Tischordnung zu umgehen und ihren Platz neben Kapitän Cunard einzunehmen. Und so, wie er Simons Schwester anstrahlte, war Brida überzeugt, dass er die Enttäuschung über ihre Ablehnung längst verschmerzt hatte. Ja, sie konnte sich sogar vorstellen, dass er sie nur deshalb um ihr Jawort gebeten hatte, weil er eine Ehe mit ihr für eine vernünftige Verbindung gehalten hatte. Sie wären vielleicht ein glückliches Ehepaar geworden. Aber ob zwischen ihnen jemals so viel Leidenschaft entbrannt wäre wie zwischen Simon und ihr? Ein Blick auf ihren Mann bestärkte ihre Gefühle. Keiner konnte ihm das Wasser reichen. Er war der Einzige für sie.
Es wurde viel gegessen und getrunken. Onkel Hermann fand tatsächlich ein Opfer. Und gleichzeitig seinen Meister, denn seine Wahl fiel ausgerechnet auf Kalle. Simon stieß Brida sanft an und deutete in die Ecke, in der die beiden standen. Irgendwann hatte Kalle es geschafft, den Spieß umzudrehen, und machte sich seinerseits einen Spaß daraus, den guten Hermann nicht mehr aus den Fängen zu lassen, bis Marieke schließlich einschritt.
»Sei ehrlich«, flüsterte Brida. »Du hast Kalle vorgewarnt.«
»Ich? Wie kommst du darauf?« Simons Versuch, eine Unschuldsmiene aufzusetzen, misslang gründlich. Er konnte sein schadenfrohes Lächeln einfach nicht unterdrücken.
Nachdem die Tafel aufgehoben worden war, wurde zum Tanz aufgespielt. Obwohl es ihr schon alle erzählt hatten, war Brida doch erstaunt, mit welcher Begeisterung Elisabeth tanzte und welch gute Figur sie und Jannick dabei machten. Simon hatte nach drei Tänzen genug, denn mit seinem steifen Arm fiel es ihm schwer, Bridas Hand bei den komplizierten Figuren zu halten. Dafür schenkte Barbara Cunard jeden Tanz. Brida sah, wie Simon die beiden mit gerunzelter Stirn beobachtete.
»Was ist? Sind sie denn kein schönes Paar?«
»Doch, aber ich sehe gerade, dass Vater mit Jacob von Oldesloe spricht.«
»Ja und?«
Soeben legten die Musiker eine Pause ein. Barbara verschwand in einem der hinteren Räume. Cunard blieb am Rand der Tanzfläche stehen, nahm sich einen Becher Wein und blickte ihr versonnen nach.
Ohne auf Bridas Frage zu antworten, ging Simon auf Cunard zu. Brida folgte ihm.
»Cunard, ich muss mit Euch sprechen«, sagte er ernst.
»Worum geht es?«
»Ich habe den Eindruck, Ihr mögt meine Schwester, nicht wahr?«
»Äh … ja, gewiss, aber …«
»Genug, um sie zu heiraten?«
»Was?« Cunard lief rot an. »Ja, aber …«
»Ja oder nein?«, bohrte Simon unerbittlich weiter.
Cunard atmete tief durch. »Ja«, bekannte er mit fester Stimme.
»Nun, dann frag sie endlich, solange du noch als großer Held
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