Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
Kräuterbett, dazu köstliche Pasteten. Die alte Köchin Elsa hatte sich wieder selbst übertroffen.
Stadtrat Claas hob anerkennend die Brauen, als er den Fisch sah. »Das scheint mir einer der ersten guten Fänge des Jahres zu sein.«
»Denk ich mal.« Hinrich lachte. »Deshalb hab ich dich ja eingeladen.«
Marieke kredenzte ihnen noch den guten italienischen Wein, den der Kapitän für besondere Gelegenheiten aufhob.
»Ich habe gehört, einer der Schiffbrüchigen hat überlebt?«, fragte Claas, während er einen Schluck des schweren roten Weines kostete.
»Ja, Brida kümmert sich um ihn.« Hinrich warf seiner Tochter einen auffordernden Blick zu, und so erzählte sie von Erik, wie sie ihn jetzt nannte.
»Ein unbekanntes Siegel?«, fragte Claas, als sie geendet hatte. »Dürfte ich es sehen?«
»Darauf haben wir gehofft«, sagte Brida. »Wartet, ich hole es.«
Als sie zurückkam, schenkte ihr Vater seinem Gast gerade nach. Brida reichte Claas die beiden Teile Siegelwachs.
»Bemerkenswert. Es hat gewisse Ähnlichkeiten mit dem dänischen Königssiegel.«
»Bis auf die drei Löwen«, bestätigte Hinrich. »Hast du es schon mal gesehen?«
»Nein, aber ich könnte es herausfinden, wenn du es mir überlässt.«
Der alte Kapitän nickte.
»Ob es wohl ein dänisches Siegel ist?«, fragte Brida.
»Möglicherweise«, antwortete Claas. »Du glaubst, dieser Erik – oder wie immer er heißen mag – könnte ein Däne sein?«
»Er sagte, er habe auf Dänisch geträumt. Und als er zu sich kam, sprach er zuerst Dänisch. Andererseits hat er den unverkennbaren lübschen Zungenschlag, wenn er Deutsch spricht.«
»Viele Lübecker Kaufleute sprechen Dänisch«, sagte Claas. »Vielleicht war er auf einem dänischen Schiff. Aber seltsam ist es schon. Ich würde ihn gern persönlich kennenlernen.«
»Er schläft schon. Ich habe mich heute lange mit ihm unterhalten. Er mag es nicht zugeben, aber er ist noch sehr geschwächt. Es ist nicht nur die Kälte. Ich erzählte doch von seiner Wunde. Er hat vermutlich ziemlich viel Blut verloren.«
»Sag mir Bescheid, wenn es ihm besser geht. Vielleicht kann ich ihm helfen, etwas über seine Herkunft herauszufinden.«
2. Kapitel
W asser, so kalt, dass es ihm den Leib zerreißt. Wellen peitschen über seinen Kopf. Eine Planke, unmittelbar vor ihm. Glitschig. Mit aller Kraft muss er sich halten, klemmt sie zwischen Arm und Achsel fest. Versucht, mit den Wellen zu treiben. Auf einmal ist die Planke fort. Eine Frau hängt schlaff in seinen Armen, ihr nasses blondes Haar fällt ihm in die Augen, raubt ihm jede Sicht. Ich darf nicht loslassen! Niemals loslassen. Ihr Gewicht zieht ihn in die Tiefe. Eine Welle schwappt über ihn hinweg, Wasser dringt in Mund und Nase. Er hustet, ringt nach Luft. Versucht, mit seiner Last zu schwimmen. Ich werde dich niemals loslassen! Plötzlich ist sie fort. Er liegt wieder über der Planke, allein inmitten des Meeres.
In diesem Moment schreckte er aus seinem Traum auf. Das Kohlebecken neben seinem Lager glühte noch, warf einen schwachen Lichtschimmer in den Raum, aber draußen war alles dunkel. Wie lange mochte er geschlafen haben? Langsam richtete er sich auf, immer darauf bedacht, die wärmenden Decken nicht loszulassen. Die Wunde in seiner Brust pochte so wie schon während des ganzen Tages. Er versuchte, nicht daran zu denken. Es gab Wichtigeres. Er war also in Heiligenhafen. Ein Name, der keine Bilder in ihm hervorrief. Anders als Lübeck und anders als … Kopenhagen. Wieso kam ihm gerade jetzt die dänische Hauptstadt in den Sinn? Bunt verputzte Häuserfronten, ganz anders als der rote Lübecker Backstein.
Brida hatte vom Krieg zwischen Dänemark und der Hanse gesprochen. Verdammt, wenn er bloß gewusst hätte, wohin er selbst gehörte! Es fiel ihm ebenso leicht, Deutsch mit ihr zu sprechen wie Dänisch zu denken. Wenn er wirklich ein Däne war, konnte er nicht darauf hoffen, dass irgendjemand nach ihm suchte. Jedenfalls nicht hier.
Was war das eben für ein Traum gewesen? Die seltsame Frau, die so kurz aufgetaucht und dann verschwunden war. War sie eine wirkliche Erinnerung? Oder nur ein wirres Traumgespinst?
Irgendwer hatte die Fensterläden geschlossen, während er schlief. Vermutlich Marieke. Beim Gedanken an die Magd musste er lächeln. Ein scharfes Geschütz, hätte sein Bruder gesagt. Bruder? Er hatte also einen Bruder. Bruder … Name? Gesicht? Nein, da war nichts, nur eine Wand aus Nebel.
Erik … War das sein Name? Das
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