Schief gewickelt (German Edition)
wegen Kacka. Das ist Dünnpfiff vom Feinsten. Garantiert Omas Kartoffelsalat. Hier ist Penispapas große Chance, sich zu rehabilitieren.
Gib ihn her, Prollmädchen. Das ist zu hart für dich. Das ist ein Job für Superpapa. Ich taumele durch den schlingernden Zug. Daniel in einem Arm, die Ausrüstung im anderen und immer gut aufgepasst, dass ich nicht auf mein rotes Superpapa-Cape trete. Der Dünnschiss suppt durch meinen Ärmel. Es stinkt wie die Hölle. Ich trete in bestem Van-Damme-Stil die Tür zum kombinierten Behindertentoiletten-Wickelraum auf. Noch fünf Minuten bis Berlin. Tisch runtergeklappt, Tuch ausgebreitet, Daniel draufgelegt.
»Papa! Mich festhalten! Zug fällt um!«
Nur die Ruhe.
Mein Gott, was ist denn das?
Ich versuche nicht mehr zu atmen und stecke die vollgeschissene Windel in eine Tüte. Mist. Der Beutel mit den Feuchttüchern ist runtergefallen. Der Wickeltisch ist angenehm hoch angebracht. Das einzig Dumme an dieser Höhe ist, dass ich so nicht den Feuchttücherbeutel aufheben kann, ohne Daniel loszulassen. Daniel mit dem kackverschmierten Hintern wieder auf den Arm nehmen? No way!
Jetzt zahlt es sich aus, ein Mann zu sein. Ich kicke mir den Beutel mit der linken Hacke auf die rechte Fußspitze und lupfe ihn an. Zweimal in der Luft nachgetreten und der Beutel landet in hohem Bogen in meiner rechten Hand. Hätte Ronaldinho nicht besser hinbekommen, aber in solchen Momenten guckt natürlich niemand.
Noch vier Minuten, Superpapa. Vier Minuten, um einen komplett vollgeschissenen Zweieinhalbjährigen sauberzumachen, ihm neue Klamotten anzuziehen, die Wickelsachen zusammenzupacken, die Hände zu waschen, zurück ins Abteil zu gehen, den Rucksack aus dem Gepäckfach zu holen und das Hemd zu wechseln? Geht nicht. Zielkonflikte ohne Ende. Ich brauche einen guten Kompromiss. Warum klingelt jetzt mein Handy? Und warum um alles in der Welt gehe ich auch noch dran?
Ich glaube, das ist so ein typisches Hausmann-und-Vater-Ding. Minderwertigkeitskomplexe, weil man nicht wie andere Männer im Beruf glänzt. Da gibts einfach nichts Besseres als einen Handyanruf in einer stressigen Situation. Kann man mal beweisen, dass man auch ein Managertyp ist. Simone ist dran.
»Ich glaube, ich kann euren Zug schon sehen.«
»Äh … Schatz, ich …«
»Hast du etwa noch nicht zusammengepackt?«
»Doch, doch, sicher.«
»Dann bin ich ja beruhigt. Was ich dir nur kurz sagen wollte, bloß damit du keinen Schreck kriegst …«
»Was Schlimmes?«
»Nein, nein. Ich habe nur ein neues Auto gekauft.«
»Du hast was?«
»Ein neues Auto gekauft. Bis gleich, Kuss!«
Sie hat ein neues Auto gekauft.
Einfach so.
Ich bin in Trance. In Trance tue ich das einzig Vernünftige. Daniel die verkackten Sachen ausziehen, in die Tüte stecken, mein verkacktes Hemd ausziehen, auch in die Tüte stecken, die schlimmsten braunen Stellen an Daniels und meinem Körper abwischen und mit nackter Brust und nacktem Kind zurück ins Abteil stürzen.
Die Bremsen quietschen. Wir fallen, so wie wir sind, der alten Dame auf den Schoß. Nein, nichts passiert. Sie lächelt Daniel an, um mir gleich darauf einen Blick aus Stein zuzuwerfen. Der Prolljunge hebt unseren Rucksack aus dem Gepäckfach. Diesmal steht auf seiner Stirn: »Ich tue es für Daniel, nicht für dich. Möge die Bild -Zeitung bald über alle deine Schandtaten berichten. Mit Foto ohne Balken vor den Augen.« Wir stürzen an einem kopfschüttelnden Zugbegleiter vorbei auf den Bahnsteig.
Da steht Simone. Im Gegensatz zu uns sieht sie perfekt aus. Ihre langen braunen Haare wippen in der warmen Luft, die von irgendwoher hereinweht. Nicht so spektakulär wie im Wella-Werbespot, aber fast noch schöner. Ihr sommerliches Businesskostüm sieht angenehm unstreng aus, weil sie ein weißes T-Shirt darunter trägt und dazu Ledersandalen, die man fast nicht sieht. Von weitem könnte man sogar denken, dass sie barfuß läuft.
Sie sieht uns, schreit auf, lässt die rote Rose fallen und reißt mir Daniel aus dem Arm.
*
Um jetzt mal keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das war alles nicht so geplant. Ich wollte nie einer von diesen schlabberhosigen Ersatzmama-Vätern werden. Wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre, wäre ich heute immer noch festangestellter Grafiker in meiner alten Internet-Agentur, säße Tag für Tag vor zwei schönen großen Bildschirmen, würde gemütlich Pixel hin und her schubsen und mich mindestens fünfmal am Tag mit den Kollegen an der
Weitere Kostenlose Bücher