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Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry

Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry

Titel: Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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waren es sehr nette und harmlose Leute. Der alte Linklater war hoher Regierungsbeamter gewesen und lebte von seiner Pension. Seine Frau, die ein eigenes Vermögen besaß, spekulierte nicht ohne Geschick an der Börse und war bekannt dafür, daß sie gern Wohltätigkeitsveranstaltungen organisierte. Irgend jemand mußte von außen her in die Wohnung eingedrungen sein. ,Eingedrungen' war dabei wohl nur bedingt richtig. Ray vermutete, daß Patricia den Mörder nach seinem Klingeln ohne Argwohn eingelassen hatte.
    Der Himmel mochte wissen, was er ihr für ein Märchen aufgetischt hatte. Daß er Rays Freund sei, daß er erwartet werde, daß er darum bitte, einen Moment Platz nehmen zu dürfen . . .
    Dann mußte er sich auf Patricia gestürzt haben.
    Aber warum, warum? Es war kein Raubmord gewesen. An Patricias Hand hatte sich noch der wertvolle Brillantring befunden. Auch sonst war aus der Wohnung nichts entwendet worden. Die Möglichkeit, daß der Mörder sexuell abwegig veranlagt war, schied für Ray ebenfalls aus, da die Ärzte, Zeitungsmeldungen zufolge, einwandfrei feststellten, daß Patricia zu der fraglichen Zeit keine Gewalt angetan worden war.
    Ray tappte völlig im dunkeln.
    Unter normalen Umständen hätte er sich mit allen Mitteln für die Aufklärung des Verbrechens eingesetzt. Jetzt waren ihm die Hände gebunden. Das seltsame und erschreckende war, daß ihm Patricias Tod eigenartig wenig bedeutete. Dabei hatte er sich stets eingeredet, sie trotz ihrer eifersüchtigen Art innig zu lieben. —
    Jetzt begriff er, daß es nur Verliebtsein gewesen sein konnte. Er bedauerte ihren Tod tief, aber Patricias Tod riß keine unausfüllbare Lücke in seine Gefühlswelt. Der Bus hielt. Je näher sie der Innenstadt kamen, um so mehr Menschen stiegen zu. Ray stützte das Kinn in die Hand. Während er auf diese Weise Nachdenklichkeit vorschützte, bedeckte er das unrasierte Kinn.
    Noch ehe sie die City erreicht hatten, stieg er aus. Es war jetzt kurz nach acht, und einige Geschäfte hatten schon geöffnet. In einer Nebenstraße betrat er einen kleinen Frisiersalon und war erleichtert, daß sich außer dem Meister niemand im Laden befand.
    „Rasieren", bat er kurz und ließ sich in einen der Drehstühle nieder.
    „Sehr wohl, mein Herr", meinte der Friseur und legte erst etwas Seidenpapier und dann den weißen Stoffumhang um Rays Hals. Dann ließ er ein wenig warmes Wasser in eine Porzellanschüssel und begann damit, Ray einzuseifen.
    Ray stellte beruhigt fest, daß der Friseur sehr dicke Brillengläser trug. Mit der Schärfe seiner Augen konnte es also nicht zum besten stehen.
    „Neu in der Gegend?" fragte der Friseur.
    „Ja", erwiderte Ray und war froh, daß Einsilbigkeit in London nicht auffällt, sondern gewissermaßen zum Rüstzeug des englischen Umgangstones gehört. Bei der sanften Behandlung durch die weichen, geschickten Friseurhände mußte er verzweifelt gegen die Müdigkeit ankämpfen, die ihn in dieser von Duft und Wärme erfüllten Atmosphäre überfiel.
    „Wird wieder neblig heute", meinte der Friseur.
    „Sieht so aus.“
    „Ich wünschte, ich wäre irgendwo auf dem Land", fuhr der Figaro fort. „Weg aus dieser Stadt, wo es außer dem Nebel nur noch Unfälle und Verbrechen gibt. Jawohl, Verbrechen!"
    Ray döste mit halbgeschlossenen Augen vor sich hin.
    In die Stimme des Friseurs trat Empörung. „Nehmen Sie zum Beispiel den Fall Crane...“
    Ray wäre es unter normalen Umständen gewiß nicht eingefallen, sich durch ein plötzliches Zusammenzucken zu verraten. Aber jetzt, aus einer Art Halbschlaf durch die Nennung seines Namens auf geschreckt, machte er eine so ungeschickte Bewegung, daß der Friseur ihn schnitt . . .
    „Oh, pardon", entschuldigte sich der Alte. Er betupfte mit einem blutstillenden Stift die winzige Wunde. Es brannte scharf. Dann legte der Friseur den Kopf zur Seite. In den dicken Brillengläsern spiegelten sich Reflexe. „Was ist los mit Ihnen? Sie fuhren auf einmal zusammen, als ich den Namen Crane nannte..."
    Ray bemühte sich, ganz ruhig zu erscheinen. „Früh morgens werde ich einfach nicht wach", meinte er gähnend. „Ich war drauf und dran, wieder einzuschlafen. Vor dem Einnicken konnte ich mich gerade noch einmal retten. Nehmen Sie sich das mit dem Schnitt nicht zu Herzen. Es war nicht Ihre Schuld."
    Gleichzeitig dachte er: Welch ein Unsinn. Je länger und ausführlicher ich mich entschuldige, um so verdächtiger muß es dem Mann erscheinen.
    „Ist ja nichts passiert",

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