Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry
endgültige Ergebnis der ärztlichen Untersuchung liegt noch nicht vor. Lassen wir also das Schicksal des bedauernswerten Craig vorerst einmal unerörtert. Uns kommt es jetzt darauf an, eine genaue Beschreibung von Crane zu erhalten. Bis gestern wußten wir nämlich nicht, was er auf der Flucht trägt."
„Es ist ein grauer Flanellanzug, Sir. Er sah ziemlich verknittert aus, aber das trifft ja wohl für die meisten Anzüge dieser Art zu."
„Wie steht es mit dem Schlips?"
„Ich glaube, die Krawatte war dunkelrot . . . ja, dunkelrot mit grünen Querstreifen."
„Gut beobachtet", lobte der Kommissar. „Ist Ihnen sonst noch etwas an ihm aufgefallen?"
Mrs. Catwyck dachte nach. „Nein", sagte sie dann.
„Vielen Dank, Mrs. Catwyck. Sie haben uns sehr geholfen. Falls wir Sie noch einmal brauchen, werde ich es Sie wissen lassen."
„Bekomme ich die Belohnung, Herr Inspektor?"
„Das kann ich nicht entscheiden, Mrs. Catwyck. Vermutlich wird sie demjenigen ausgezahlt, dessen Aussage zur tatsächlichen Ergreifung von Crane führt."
„Aber ich habe ihn doch erkannt!“
„Ich will sehen, was sich tun läßt, Mrs. Catwyck."
„Vielen Dank, Herr Inspektor, ich, verlasse mich ganz auf Sie."
Nachdem die Frau gegangen war, kam Hilfsinspektor May herein. Er klopfte sich das dunkle Jackett ab und sagte ärgerlich: „Es wird Zeit, daß ich etwas gegen meine Schuppen tue. Ich möchte wissen, wie das Zeug eigentlich entsteht." Dann blickte er den Kommissar an. „Nun?"
„Erwarten Sie, daß ich Ihnen ein probates Mittel zur Schuppenbekämpfung nenne?"
May grinste.
„Das wäre gar nicht so übel, Kommissar. Sie wissen, daß ich Ihren Rat in jeder Hinsicht hoch einschätze."
„Sie machen mich eitel, May", spottete Morry. „Was gibt es?"
„Das hoffte ich eigentlich von Ihnen zu erfahren. Hat die Alte etwas Neues gebracht?"
„Allerdings. Kaufen Sie niemals Käse bei Patterson in der Ambush Street. Das Zeug taugt nichts. Mrs. Catwyck ist jedenfalls dieser Ansicht."
„Ich kaufe niemals Käse", behauptete May. „Ein bißchen gesprächig, die Alte, was?"
„Sie ist nicht übel. Natürlich hält sie sich für den Mittelpunkt des Geschehens. Die Reporter werden bald über sie herfallen und das wird ihren Stolz noch weiter aufblähen. Die gute alte Mrs. Catwyck. Dabei hat sie uns wirklich einen guten Dienst erwiesen . . . obwohl ich noch immer glaube, daß Crane an dem Tod des Friseurs unschuldig ist. Er hat sich lediglich bei dem Mann rasieren lassen. Wir fanden noch den mit Barthaaren vermengten Schaum im Ausguß."
„Der kann aber auch von einem anderen Kunden stammen. Im übrigen verstehe ich Crane nicht. Er weiß, daß wir ihn jagen. Dennoch wagt er sich unter Menschen?"
„Das beweist nur, daß er a) in London ist und b) keinen Freund hat, bei dem er unterschlüpfen konnte. Ich möchte wetten, daß er im Freien schläft, denn er weiß, daß die Hotels besonders scharf überwacht werden. Ich bin überzeugt, daß er von dem Friseur erkannt wurde. Bei der Zentrale ging ein Anruf ein, der äußerst dringend gemacht wurde und dann plötzlich abbrach . . . wir sind so gut wie sicher, daß es sich um Craig handelte."
„Vielleicht wollte Crane den Friseur überfallen? Vielleicht hat er den Aermsten mit einer Pistole bedroht?"
„Warum hätte er das tun sollen?"
„Wahrscheinlich braucht er Geld."
„Denken Sie doch mal nach, May, auch wenn Ihnen das angesichts Ihrer gegenwärtigen Schuppensorgen schwerfällt. Crane ist kein Dummkopf. Er weiß genau, daß zu solch früher Stunde in einem kleinen Friseursalon nicht viel zu holen ist."
„Sie bleiben also dabei, daß er sich nur rasieren ließ?"
„Das ist meine Ansicht."
„Dann muß Crane nach der Rasur nochmals in den Laden zurückgegangen sein und den Friseur bei dem Anruf ertappt haben."
„So kann es sich abgespielt haben. Da der ertappte Craig glauben mußte, einem gefährlichen Mörder gegenüber zu stehen, fürchtete er, sein letztes Stündlein habe geschlagen . . . eine Befürchtung, die sich leider nur allzu rasch erfüllen sollte. Cranes unerwartete Rückkehr war jedenfalls mehr, als das geschwächte Herz des Friseurs vertragen konnte, er bekam einen tödlichen Schlaganfall."
„Das ist noch nicht erwiesen, Kommissar.“
„Sie wissen genau, daß sich keine Spuren von Gewaltanwendung fanden."
„Ja . . . aber Crane ist ein Mörder, und ihm war gewiß daran gelegen, auch den Mann zum Schweigen zu bringen, der ihn erkannt hatte und verraten
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