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Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry

Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry

Titel: Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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tröstete der Friseur. „Es hat schon aufgehört zu bluten."
    Ray nickte. „Sie wissen ja, wie das so geht..."
    „Aber natürlich. Es gibt viele Kunden, die am Morgen hier im Stuhl einnicken."
    Er rasierte Ray schweigend zu Ende. Ray glaubte zu spüren, wie der Friseur sein Gesicht mit den Augen nachzeichnete . . . Linie für Linie, voll Neugier und kalter Überlegung. Begriff der Mann in diesem Moment, daß er den berühmt-berüchtigten Ray Crane unter dem Messer hatte? Ray betrachtete das Gesicht des Meisters im Spiegel. Mit den Fingern streifte er den Schaum vom Messer. Sein Gesicht war jetzt ernst, gleichgültig, verschlossen. Ray beruhigte sich.
    Ich bin zu nervös, überlegte er. Wenn der Bursche ein wenig klüger wäre und bessere Augen hätte, könnte es mir schlecht gehen . . .
    Der Friseur klappte das Messer zusammen und legte es beiseite. „Lotion, der Herr?"
    Ray nickte und beobachtete, wie der Friseur eine der vielen bunten Flaschen öffnete.
    „Es wird ein bißchen brennen, mein Herr, besonders an dem kleinen Schnitt", warnte er.
    „Macht nichts, es erfrischt."
    „Dafür ist es ja gedacht."
    Der Friseur verrieb das Rasierwasser an Rays Kinn und nahm dann das weiße Tuch und das Papier ab.
    „So, mein Herr, jetzt können Sie wieder auf Brautschau gehen. Macht genau einen Schilling."
    Ray zahlte. Als er zur Tür ging, sah er das Telefon in einer Ecke des kleinen Ladens. Ray hatte plötzlich einen Einfall. Als er auf die Straße trat, ließ er die Tür einen Spalt offen. Draußen blieb er unmittelbar neben der Tür stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden. Er hörte, wie der Friseur ans Telefon eilte und die Wählscheibe drehte.
    Anscheinend erwischte er die falsche Nummer, denn er schlug fluchend auf die Gabel und wählte ein zweites Mal.
    Ray schaute in die Luft, als eine ältere Frau mit einem Milchkrug vorüber kam und ihn neugierig musterte. Anscheinend begriff sie nicht, warum er hier herumstand. Sie ging weiter und betrat einen Milchladen, der nur wenige Häuser entfernt lag.
    „Na, endlich!" tönte die Stimme des Friseurs aus dem Inneren des kleinen Salons. „Verbinden Sie mich sofort mit der Kriminalpolizei! Rasch, rasch! Ich habe eine sehr wichtige Durchsage zu machen..."
    Als Ray den Laden erneut betrat und die Tür hinter sich schloß, hörte er das asthmatisch anmutende Keuchen des erregten Friseurs. Anscheinend brachte den Mann die Aussicht auf eine Belohnung von fünfhundert Pfund ganz aus dem Häuschen. Vielleicht war er auch herzleidend, denn er hielt eine Hand fest gegen die Rippenpartie gepreßt, als ob er wahnsinnige Schmerzen empfände. Plötzlich fuhr er herum. Seine Kinnlade fiel nach unten.
    „Legen Sie den Hörer aus der Hand", befahl Ray.
    Der Friseur ließ den Hörer fallen.
    „Drücken Sie die Gabel nach unten!" verlangte Ray.
    Der Friseur gehorchte.
    „Das ist gut", lobte Ray.
    Der Friseur, dessen Kinn wie bei einem alten Mann zitterte, streckte beide Arme mit gespreizten Händen weit von sich, als könne er auf diese weise Ray abwehren.
    „Nein!" rief er. „Nein . . . bitte nicht!"
    In seinen blauen, verwaschen wirkenden Augen stand Todesfurcht. Sein Atem kam jetzt laut und rasselnd, als ob in seiner Brust winzige Knochenstückchen durcheinandergewürfelt würden.
    „Ich . . . ich . . .“
    Er würgte an irgendeinem Satz, brachte ihn aber nicht zustande.
    Ray trat einen Schritt näher.
    „Nein!" rief der Friseur noch einmal. „Nein!"
    Dann warf er die Arme in die Luft und brach ächzend zusammen. Als er mit der Stirn auf den Boden schlug, war sein Gesicht blau.
     
    *
     
    Kommissar Morry saß hinter dem Schreibtisch seines Büros und ordnete die Bleistifte mit großem Ernst zu einem Gebilde, das im Aufbau einer Orgelpfeifenfassade ähnlich sah.
    „Also gut", sagte er schließlich und blickte den an der Tür wartenden Hilfsinspektor May an. „Führen Sie die Frau herein."
    Kurz darauf klopfte es und eine etwa fünfzigjährige Frau betrat das Zimmer. Sie trug einen blauen Wettermantel und ein schwarzes Hütchen, das ein wenig verrutscht war und graues, strähniges Haar stehen ließ.
    „Ich bin Mrs. Catwyck, Herr Inspektor", sagte sie.
    Mit sichtlichem Respekt betrachtete sie den breitschultrigen und gut aussehenden Kommissar, der jetzt um den Schreibtisch herum kam und ihr zur Begrüßung die Hand gab. „Nehmen Sie Platz, Mrs. Catwyck", bat der Kommissar und rückte einen Stuhl zurecht.
    „Oh, vielen Dank, Herr Inspektor", meinte Mrs. Catwyck und ließ

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