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Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry

Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry

Titel: Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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unaufdringliche Kunstseidenkrawatten. Dann suchte er die Toilette eines Speiserestaurants auf und wechselte den Schlips. Anschließend nahm er das Abendessen zu sich und trank noch zwei Biere. Danach hatte er Mühe, die Augen offen zu halten, und nahm sich vor, mit dem nächsten Bus nach Addington zu fahren.
    Etwa anderthalb Stunden später lief er die dunkle Villenstraße hinab, die er nun schon so gut kannte. Es war kein Mensch zu sehen. An der Ruine, in der er die letzte Nacht verbracht hatte, zögerte er einen Moment. Plötzlich packte ihn die Neugier. Er wollte sich überzeugen, ob die Tote noch an ihrem Platz war . . .
    Nachdem er sich vergewissert hatte, daß niemand auf der Straße war, huschte er durch den verwilderten Vorgarten auf die Ruine zu. Er kannte den Weg nun schon ziemlich genau und hatte keine Mühe, ins erste Stockwerk zu gelangen. Ehe er den fraglichen Raum betrat, war ihm doch recht merkwürdig zumute. All die seltsamen Gefühle und Empfindungen, alle Befürchtungen und Gedanken, die ihn in der vergangenen Nacht beschäftigt hatten, kehrten plötzlich zurück.
    Er warf einen scheuen Blick in das Zimmer. Die Tote war verschwunden. Nur der umgestürzte, halb zerbrochene Tisch erinnerte ihn daran, daß dies der richtige Raum war. Ray schüttelte den Kopf. Er hatte keine Lust, noch länger zu bleiben, und machte sich wieder davon. Es gab nur zwei Erklärungen für den Vorfall. Entweder die Tote war erst am späten Nachmittag von spielenden Kindern entdeckt worden . . . oder der Unbekannte hatte noch in der letzten Nacht die Leiche der Frau abgeholt.  
    Warum beschäftige ich mich überhaupt damit? fragte er sich. Es geht mich nichts an. Ich habe andere Sorgen. Plötzlich hatte er einen Einfall. Ich gehe zu Graham!
    Er muß mir helfen ... ich werde ihn dazu zwingen. Er ist ein Mörder, und im Moment hin ich der einzige, der das weiß. Ich hasse den Gedanken, einen anderen Menschen zu erpressen, aber mir bleibt keine andere Wahl . . .
    Nur eine Minute später stand Ray am Portal des Grahamschen Grundstückes und drückte auf den Klingelknopf. Aus dem im Torpfosten eingelassenen Lautsprecher ertönte die trocken-höfliche Stimme des Butlers.
    „Ja, bitte?"
    „Ich möchte Mr. Graham sprechen."
    „Wen darf ich melden, Sir?"
    „Sagen Sie ihm, es sei ein guter Bekannter. Es soll eine Überraschung sein, wissen Sie?"
    Der Diener zögerte. Nach kurzer Pause sagte er:
    „Bedaure, Sir. Ich habe strikte Anweisung."
    „Schon gut", unterbrach Ray. „Melden Sie ihm, Mr. Crane sei gekommen."
    „Sehr wohl, Sir."
    Wenig später ertönte der Summer, und Ray öffnete das Tor. Während er die breite, mit Kies bestreute Straße auf das weiße Gebäude zuschritt, versuchte er sich vorzustellen, was der Hausherr in diesem Moment empfinden mochte. Erst jetzt fiel Ray ein, daß zwischen ihnen ein Patt bestand . . . schließlich hielten sich ihre Verbrechen die Waage, denn Graham mußte ja glauben, daß er, Ray Crane, gleichfalls ein Mörder war. Jetzt war es zu spät zu einer Umkehr. Im übrigen verspürte Ray keine Lust, den Plan aufzugeben. Vielleicht gelang es auch so, Graham zu bluffen.
    Vielleicht . . .
    An der Tür des Hauses empfing Ray ein hochgewachsener Butler, der eher arrogant als dienstbeflissen wirkte. „Darf ich mir erlauben voranzugehen, Sir?"
    Ray nickte. Der Butler führte ihn in die Bibliothek. Sie befand sich links vom Treppenaufgang im Erdgeschoß. In einem Kamin knisterten Holzscheite und warfen einen flackernden, rötlichen Schein auf die alten, goldgeprägten Lederbände in den hohen Buchregalen, und auf den Mann, der in einem bequemen Sessel vor dem Feuer saß und nachdenklich in die Flammen starrte.
    „Mr. Crane, Sir . . .", meldete der Butler, der kühl an der Tür stehengeblieben war.
    Graham stand auf und kam Ray entgegen. Er trug einen eleganten Straßenanzug und hatte eine Hand in die Tasche des Jacketts geschoben. Ray fragte sich unwillkürlich, ob die Finger eine Pistole umspannt hielten . . .
    „Es ist gut, Howard", sagte Graham zu dem Butler, der sich daraufhin sofort zurückzog und die Tür nahezu lautlos hinter sich schloß.
    „Wollen Sie nicht Platz nehmen?" fragte Graham, der nicht die geringsten Anstalten
    zu einer konventionellen Begrüßung traf. Er wies mit der Hand auf einen Sessel, der seinem eigenen am Kamin gegenüber stand.
    „Gern, vielen Dank."
    Sie setzten sich.
    „Möchten Sie etwas trinken?" erkundigte sich Graham höflich.
    Er war sehr beherrscht, und

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