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Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry

Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry

Titel: Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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sagte?"
    May hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. „Er sagte eine Menge Dinge. Im allgemeinen beschränkte er sich auf die präzise Beantwortung unserer Fragen."
    „Ja . . . aber er erwähnte auch, daß Patricia Dwoning sehr auf eine Heirat gedrängt habe."
    „Welches Mädchen tut das nicht? Ich sehe da keinen Zusammenhang mit dem Mord."
    Der Kommissar hatte sich zurückgelehnt und studierte die dünnen Risse an der Zimmerdecke.
    May schnippte eine Haarschuppe vom Revers seines Jacketts und sagte: „Wenn Sie annehmen, daß Crane das Mädchen nicht mehr haben wollte und daß Patricia vielleicht ein Kind von ihm bekam und dieses Argument als Drohung benutzte . . . nun, dann irren Sie sich. Patricia erwartete kein Kind. Soviel haben die Ärzte nämlich festgestellt."
    „Das meinte ich auch gar nicht, May. Sie als Kriminalist sollten freilich die Möglichkeit einbeziehen, daß ein Mädchen auch dann eine solche Drohung ausstoßen kann, wenn sie gar nicht der Wahrheit entspricht. Ein Mädchen kann später noch immer erklären, sie habe sich getäuscht. Was glauben Sie, wie viele Ehen mit diesem kleinen Betrug schon zustande gekommen sind?"
    „Worauf wollen Sie hinaus, Kommissar?"
    May fragte, obwohl er wußte, daß Morry nicht zu den Leuten gehörte, die ihre Karten vorzeitig auf den Tisch legen. Der Kommissar konnte lange über ganz allgemeine Dinge sprechen, die mit einem Fall im Zusammenhang stehen, aber sobald er zum Zentrum eines Problems vorstieß, wurde er schweigsam. May war also nicht überrascht, daß er keine Antwort erhielt.
    Er ging in sein Zimmer, nahm den Hörer von der Gabel und wählte eine Nummer.
    „Hallo, Doktor", sagte er, nachdem sich der Teilnehmer gemeldet hatte. „Haben Sie in der Sache mit dem toten Friseur bereits etwas festgestellt? Der Kommissar möchte gern erfahren, wie weit Sie sind."
    „Das will ich Ihnen gern sagen, mein Junge. Craig hatte ein Herz, das sozusagen nur noch aus Gewohnheit schlug. Es war ein Schlaganfall . . . ganz einwandfrei."
    „Schade", sagte May seufzend. „Ich wünschte, der Kommissar hätte sich ein einziges Mal geirrt, das würde ihn, hm, menschlicher machen. Aber er tut mir nicht den Gefallen. Er hat also auch diesmal recht."
     
    *
     
    Nachdem Ray den Friseurladen verlassen hatte, mit jagendem Puls und konzentriert darauf bedacht, nicht in einen wilden Galopp zu verfallen, war er mit einem Taxi in die Innenstadt gefahren. Mit einem anderen Taxi hatte er sich zur London Bridge bringen lassen. Insgesamt hatte er viermal die Wagen und Ziele gewechselt, um Nachforschungen zu erschweren. Jetzt befand er sich wieder in einem Außenbezirk, in Croydon, unweit des stillgelegten Flugplatzes. Er hatte sich inzwischen etwas beruhigt und spürte nun mit doppelter Macht den Hunger, den er über den bisherigen Aufregungen fast vergessen hatte. Ray suchte die nächstbeste Snack-Bar auf und bestellte sich Ham and Eggs, zwei Sandwiches und Tee.
    Als die Portion schließlich auf dem Tisch stand, wurde ihm fast übel vor Heißhunger und Appetit. Er fiel gierig über die Speisen her, doch als er den erstaunten Blick des etwa zwanzigjährigen Serviermädchens fühlte, zwang er sich dazu, ruhig und gesittet zu essen. Nachdem er auch noch den Tee bis auf den letzten Rest getrunken hatte, lehnte er sich zurück und steckte eine Zigarette zwischen die Lippen. Er war nicht mehr hungrig, aber er war weit davon entfernt, sich wohl zu fühlen. Er konnte nicht vergessen, daß in weniger als zehn Stunden drei Menschen seinen Weg gekreuzt hatten, die jetzt steif und starr waren.
    Ein Selbstmord, ein Mord . . . und ein Schlaganfall.
    Merkwürdigerweise war es der Schlaganfall, der Ray am meisten belastete. Ich trage die Schuld am Tod des Alten, überlegte er. Ich habe ihn auf dem Gewissen. Er fürchtete sich vor mir. Wahrscheinlich dachte er, ich sei zurückgekommen, um ihn zu erwürgen. Das gab ihm den Rest. Bin ich jetzt ein Mörder?
    „Bringen Sie mir noch eine Tasse Tee, bitte", sagte er zu dem Mädchen.
    Sie war ein hübsches, blondes Ding mit einem quicken Lächeln. Sie sah nicht so aus, als ob sie prüde sei . . .
    Ray konnte sich vorstellen, daß sie einen guten Teil der Kundschaft durch ihre bloße Gegenwart ins Lokal zog. Der Wirt, der neben der italienischen Espressomaschine hinter dem Tresen stand, blickte unablässig auf ihre Beine. Ob sie etwas miteinander haben? überlegte Ray.
    Es war nur ein flüchtiger Gedanke, der ebenso schnell ging wie er gekommen

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