Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry
Miene verriet nichts von den Gefühlen, die Grahams seltsame Beichte in ihm auslösen mochte.
„Es fällt mir nicht gerade leicht, diese Tatsache anzuerkennen", fuhr der Hausherr fort. „Kein Mann hat es gern, wenn andere von ihm denken, daß ihm die eigene Frau Hörner aufsetzt. Ich will Ihnen auch gar nicht verhehlen, daß Anns Lebensart mir schon manche Beförderungschance verpatzt hat. Kurz und gut, Ann ist schon häufig ganze Nächte lang weggeblieben . . . aber es ist noch nie passiert, daß sie auch den darauffolgenden Tag wegblieb. Deshalb habe ich die Polizei benachrichtigt. Es mag Ihnen eigenartig erscheinen, aber trotz meiner Anzeige und trotz Anns rätselhaftem Ausbleiben empfinde ich keinerlei Sorge. Sie wird wiederkommen, davon bin ich überzeugt."
„Wünschen Sie, daß wir eine groß angelegte Suchaktion einleiten? In diesem Fall würde es sich freilich nicht vermeiden lassen, daß Ihr Name in den Zeitungen genannt wird."
„Ich glaube, wir sollten damit noch achtundvierzig Stunden warten", empfahl Graham.
„Aber dann kann es zu spät sein."
„Zu spät?" echote Graham verblüfft. „Sie glauben doch nicht etwa, daß Ann etwas zugestoßen ist?"
„Ich glaube gar nichts", erwiderte Morry ruhig. „Ich prüfe nur die Möglichkeiten. Ich vermute doch wohl richtig, wenn ich annehme, daß Ihre Gattin wertvollen Schmuck trägt?"
„Ja, sie liebt es, sich mit diesem Kram zu behängen."
„Na, sehen Sie! Es gibt leider gerade in London Leute, die sich für so etwas interessieren."
Graham legte die Stirn in Falten und machte ein ernstes Gesicht.
„So habe ich es noch gar nicht betrachtet, Kommissar. Sie haben vermutlich recht. Es wird wohl besser sein, wenn Sie die Nachforschungen dann intensiv und sofort betreiben."
„Haben Sie eine Ahnung, wohin Ihre Gattin in der fraglichen Nacht gegangen ist?"
„Sie hatte nie ein festes Ziel, Sir.“
„Wie sah Mrs. Graham aus?"
„Oh, ich habe dem Beamten, der am Nachmittag hier war, eine genaue Beschreibung und ein Foto mitgegeben. Ann ist unter tausenden leicht herauszufinden. Sie ist jung, rothaarig und sehr schön." Er seufzte. „Ja, sehr schön...“
„Als ich vorhin auf das Haus zuschritt", sagte Morry, „schien es mir so, als hätte ich an einem der Fenster im Erdgeschoß eine rothaarige junge Dame bemerkt."
„Das ist die Tochter des Butlers", sagte Graham rasch.
„Oh . . . der Butler ist verheiratet? Das war mir nicht bekannt."
Graham lächelte, ohne weitere Informationen zu geben.
„Wohnt sie hier im Haus?" fragte Morry.
„Noch nicht."
„Sie beabsichtigen, die junge Dame aufzunehmen?"
„Ja, ich werde einer Bitte des Butlers entsprechen."
„Wie alt ist das Mädchen?"
Graham lachte und drohte schalkhaft mit dem Finger.
„Hallo, Kommissar! Seit wann interessieren Sie sich für heranreifende Schönheiten?"
„Ich habe das Mädchen, wie schon erwähnt, nur flüchtig gesehen, aber ich hatte nicht den Eindruck, daß sie noch nicht ausgereift ist."
„Sie ist achtzehn, Kommissar."
„Nun, das erklärt manches. Wo wohnt übrigens die Frau des Butlers?"
„Mary? Sie arbeitete noch bis vor kurzer Zeit hier im Haus. Als Marys alte Mutter in Cornwall schwer erkrankte, gestattete ich ihr, nach dort zu ziehen. Mary pflegt jetzt ihre Mutter."
„Hm."
„Hat man meinen Wagen schon gefunden?"
„Davon ist mir nichts bekannt, Sir. Aber in der Regel entdecken wir gestohlene Fahrzeuge sehr rasch."
„Ein effektiver Verlust wäre für mich nicht allzu tragisch, denn der Wagen ist gegen Diebstahl versichert", meinte Graham wie nebenbei.
„Wurde der Kombi aus der Garage gestohlen?"
„Nein... er stand auf der Straße, vor dem Tor."
„Steckte der Zündschlüssel?"
„Nein. Er befindet sich in meinem Besitz. Der Täter muß den Motor kurzgeschlossen haben."
„Was befand sich im Inneren des Wagens?"
„Im Inneren? Nichts. Halt . . . doch! Howard bewahrte immer einen gefüllten Benzinkanister darin auf. Ja, und eine graue Plane. Ich verwende sie auf der Jagd zum Abdecken des erlegten Wildes."
„Hm."
„Ich muß Ihnen noch etwas sagen, Kommissar."
„Nun?"
„Bei mir ist eingebrochen worden."
„Was denn, hier im Haus?"
„Nein, im Gartenpavillon."
„Erzählen Sie."
„Viel gibt es freilich nicht zu berichten. Als die beiden Mädchen heute Mittag den Gartenpavillon säubern wollten, entdeckten sie eine eingedrückte Scheibe. Auf dem Sofa lag eine zerknüllte Decke und auf dem Fußboden fanden sie einen Zigarettenstummel. Es
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