Schieß, wenn du kannst Kommissar Morry
zu erkennen, daß diese Feststellung eine Lüge war.
Aber wenn Hank nun die Wahrheit sagte? Ray sah seine letzte Möglichkeit: vielleicht gelang es ihm, die Hauptstraße zu erreichen, bevor es zu der angedrohten Absperrung kam. Ray stieß den Bauern vor die Brust. Hank taumelte zur Seite, aber dann verwandelte er sich plötzlich in einen schlagenden und kämpfenden Gegner, der mit aller Gewalt seine kostbare Beute zu halten versucht. Ray hatte Mühe, den Alten zu überwinden. Der Bauer gehörte zu der zähen, muskulösen Sorte, die so leicht nichts umwirft.
Erst nachdem Ray einige linke und rechte Haken angebracht hatte, wurden Hanks Augen glasig. Er ruderte noch einmal wild mit den Armen durch die Luft, ohne Ray entscheidend zu treffen, dann sank er ächzend zu Boden.
„Sie haben keine Chance ..." wiederholte er murmelnd. „Nicht die geringste Chance."
Dann verließ ihn das Bewußtsein. Ray rollte die Steine ans dem Weg und setzte sich ans Steuer. Rasch setzte er den Wagen zurück und wendete. Dann raste er ohne Rücksicht auf Schlaglöcher über den holprigen Weg auf die Straße zu. Da er bezweifelte, daß ihn Don Hank, der Bruder des Bauern, erkannt hatte, entschloß er sich, durchs Dorf zurückzufahren. Er raste also auf die Ortschaft zu und fuhr hindurch, ohne den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Wenig später erreichte er die Hauptstraße. Weit und breit war weder ein Polizist noch ein Streifenwagen zu sehen. Ray wurde endgültig klar, daß Hank geblufft hatte.
Aber was half das? Der Bauer würde sich jetzt allmählich hochrappeln, zu seinem Rad laufen und ins Dorf fahren, um die Polizei zu benachrichtigen . . .
Ob Hank die Nummer des Wagens notiert hat? Wahrscheinlich. Das dürfte also auch Graham in die Geschichte hineinziehen . . .
Ray fuhr so schnell, wie es der Straßenzustand und die Verkehrsdichte erlaubten. In einem kleinen Städtchen stieg er aus und betrat das Postamt. Von einer Telefonzelle aus rief er Graham an. Howard meldete sich.
„Hier spricht Ihr Gast", sagte Ray. „Passen Sie auf, Howard. Klingeln Sie sofort die Polizei an und melden Sie den Diebstahl Ihres Kombiwagens. Sagen Sie, der Wagen sei von unbekannten Tätern entwendet worden. Verstanden?"
„Ja, aber ich begreife nicht ganz . . .“
Howards Stimme klang verwirrt.
„Man hat mich erkannt", erläuterte Ray, „und den Wagen dazu. Wenn Sie und Ihr Arbeitgeber also Wert darauf legen, nicht als meine Komplicen angesehen zu werden, empfiehlt es sich, meinen Ratschlag zu befolgen. Klar?"
„Von wo rufen Sie an?"
„Das ist jetzt unwichtig, Howard. Ich kehre noch in dieser Nacht zurück. Falls sich die Polizei bei Ihnen im Haus aufhalten sollte, lassen Sie bitte als Signal und Warnung das Licht im Fremdenzimmer brennen. Haben Sie das kapiert?"
„Ich bin nicht begriffsstutzig, Sir."
„Das ist gut, Howard, denn ich werde schon bald einige Fragen an Sie richten müssen."
„Ich stehe zu Ihrer Verfügung, Sir."
Ray hängte den Hörer auf und verließ die Zelle. Er ließ den Kombi stehen und wanderte zum Bahnhof. Morry traf mit May gegen sieben Uhr abends in dem alten, zum Verkauf stehenden Gehöft ein. Die Kriminalpolizei der Grafschaft unter Inspektor Hunter sowie einige Dorfgendarmen erwarteten ihn bereits. Jesse Hank, der sich als Held des Tages fühlte, ging wichtigtuerisch und pfeifeschmauchend umher. Das Grundstück war abgesperrt. Auf der nahen Landstraße drängten sich gut hundert neugierige Dorfbewohner, die davon gehört hatten, daß Hank nicht nur mit dem gesuchten Mörder Crane eine Prügelei gehabt, sondern darüber hinaus auch noch ein weiteres Opfer des unheimlichen Mannes gefunden hatte.
Morry, der Hunter flüchtig kannte, ließ sich von dem kleinen, dicken Inspektor erklären, was geschehen war. Dann winkte er Hank herbei und ließ sich von dem Bauern ebenfalls einen detaillierten Bericht geben. Anschließend betraten Morry und May das Wohnhaus, an dessen Eingang zwei Gendarmen standen. Hunter und der Arzt der Grafschaftspolizei folgten den Beamten vom Yard. Die Tote lag unverändert unterhalb des Fensters.
Man hatte lediglich die Plane aufgeschnitten und nach einigen Identitätsmerkmalen geforscht.
„Leider ohne Erfolg", berichtete Hunter. „Die Wäsche muß noch untersucht werden; vielleicht entdecken wir da einen Hinweis."
„Hm", machte Morry.
„Übrigens wird keine Frau dieses Alters vermißt", sagte der Inspektor. Er sah gutmütig und ein bißchen asthmatisch aus; sein kurzes, schnaufendes
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