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Schiffbruch Mit Tiger

Schiffbruch Mit Tiger

Titel: Schiffbruch Mit Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yann Martel
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und Saltos und Wettrennen knapp unter dem Bootsrumpf unternahmen sie offenbar allein zu ihrem Vergnügen. Ich versuchte, einen zu fangen. Aber keiner kam nah genug an den Fischhaken heran. Und selbst wenn - sie waren viel zu schnell und zu groß. Ich gab es auf und sah ihnen einfach nur zu.
    Insgesamt sah ich sechs Vögel. Ich hielt jeden von ihnen für einen Engel, der die Nähe von Land verkündete. Aber es waren Seevögel, die den Pazifik fast ohne einen Flügelschlag überqueren konnten. Ich beobachtete sie voller Ehrfurcht, doch auch voller Selbstmitleid.
    Zweimal sah ich einen Albatros. Beide segelten in großer Höhe vorüber und nahmen keine Notiz von uns. Ich starrte ihnen mit offenem Munde nach. Es war etwas Übernatürliches, Unbegreifliches um sie.
    Ein andermal flogen zwei Sturmschwalben ganz nah am Boot vorüber, so niedrig, dass ihre Füße die Wellen berührten. Auch sie schenkten uns keine Beachtung und ließen mich ebenso staunend zurück.
    Schließlich erregten wir die Aufmerksamkeit eines Sturmtauchers. Er kreiste über uns und stieß dann hinab. Er steckte die Beine nach vorn, drehte die Flügel zum Landen und schwamm leicht wie ein Korken auf dem Wasser. Dabei musterte er mich mit neugierigen Blicken. Ich steckte rasch ein Stückchen Fisch als Köder auf einen Angelhaken und warf die Angelschnur in seine Richtung. Ich hatte keine Gewichte an der Schnur befestigt, und es war schwer, den Haken weit genug zu werfen. Beim dritten Versuch schwamm der Vogel zu dem sinkenden Köder und tauchte den Kopf ins Wasser, um danach zu schnappen. Mein Herz hämmerte vor Erregung. Ich wartete einige Sekunden, bevor ich an der Schnur zog. Doch als ich es tat, antwortete der Vogel nur mit einem Kreischen und würgte den Köder wieder heraus. Und noch ehe ich einen neuen Versuch unternehmen konnte, breitete er die Schwingen aus und erhob sich in die Lüfte. Mit zwei, drei Flügelschlägen nahm er seine Reise wieder auf.
    Mehr Glück hatte ich mit einem Tölpel. Er tauchte wie aus dem Nichts plötzlich auf, schwebte auf uns zu, mit einer Flügelspannweite von gut einem Meter, und landete auf dem Bootsrand - so nah, dass ich ihn mit Händen greifen konnte. Seine runden Augen musterten mich mit verblüfftem, ernsthaftem Blick. Er war ein großer Vogel mit schneeweißem Gefieder, nur die Flügel hatten pechschwarze Spitzen und Ränder. An dem großen, runden Kopf saß ein extrem spitzer, orangegelber Schnabel, und mit den roten Augen hinter der schwarzen Maske sah er aus wie ein Dieb nach einer langen Nacht. Nur die zu groß geratenen Schwimmfüße passten nicht recht zu seiner Erscheinung. Der Vogel zeigte überhaupt keine Scheu. Minutenlang zupfte er mit dem Schnabel an seinen Federn, sodass man die weichen Daunen darunter sehen konnte. Als er damit fertig war, hob er den Kopf und sah wieder aus wie neu: ein elegantes aerodynamisches Luftschiff. Als ich ihm ein Stückchen Doradenfleisch hinhielt, pickte er es mir aus der Hand, und sein Schnabel berührte meine Handfläche.
    Ich brach ihm das Genick, indem ich seinen Kopf wie einen Hebel nach hinten bog: Mit einer Hand drückte ich den Schnabel nach oben, die andere umschloss den Hals. Die Federn saßen so fest, dass sich beim Versuch, sie herauszuziehen, die Haut mit ablöste - ich rupfte den Vogel nicht, ich riss ihn in Stücke. Er war ohnehin sehr leicht, ein Körper ohne Gewicht. Also nahm ich das Messer und häutete ihn. Trotz seiner Größe hatte er enttäuschend wenig Fleisch, nur ein bisschen an der Brust. Es war zäher als das Fleisch der Doraden, aber ich fand, dass es kaum anders schmeckte. Im Magen des Vogels fand ich außer dem Stückchen Dorade, das ich ihm gerade gegeben hatte, drei kleine Fische. Nachdem ich die Verdauungssäfte abgespült hatte, aß ich sie. Ich aß Herz, Leber und Lungen des Vogels. Ich spülte seine Augen und Zunge mit einem Schluck Wasser hinunter. Ich zertrümmerte den Kopf und löste das kleine Gehirn heraus. Ich aß die Schwimmhäute an seinen Füßen. Der Rest war nichts als Haut, Knochen und Federn. Ich warf ihn über den Rand der Plane hinunter zu Richard Parker, der die Ankunft des Vogels nicht bemerkt hatte. Eine orangefarbene Pranke griff danach.
    Tage später wirbelten immer noch Federn und Daunen aus Richard Parkers Unterschlupf und wurden aufs Meer hinaus getragen. Wenn sie im Wasser landeten, schnappten die Fische danach.
    Ein Vogel, der Land verkündet hätte, kam nie.

Kapitel 85
    Einmal gab es ein Gewitter. Der

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