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Schiffbruch und Glücksfall

Schiffbruch und Glücksfall

Titel: Schiffbruch und Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Müll und aufgewühlten Sandboden. Sie behandeln die Küste, als ob sie ihnen gehört.«
    Kelda sah aus, als ob ein schlechtes Gewissen in ihr nagte. »Ja, ich weiß. Genauso haben wir uns oft verhalten. Allerdings an sehr viel einsameren Gestaden als hier. Trotzdem – ich schäme mich inzwischen dafür.«
    »Wie lange bleibst du?«, fragte Simon, als sie das
Marée bleue
erreicht hatten.
    »Eine Woche, denke ich.«
    »Schön. Man sieht sich!«

Veteranenfront
    Um die Mittagszeit half Kelda Marie-Claude wieder in der Crêperie, und als sich die Terrasse leerte, setzte sie sich mit ihrem Essen unter einen Sonnenschirm. Nur noch vier alte Männer waren sitzen geblieben, die es sich mit ihrem Pichet Rotwein im Schatten gemütlich gemacht hatten. Paulette brachte ihr zum Nachtisch noch eine Crêpe mit Erdbeeren und Sahne vorbei, der sie nicht widerstehen konnte, und setzte sich auf einen Kaffee zu ihr. Die vier verwitterten Alten grüßten sie launig.
    »Wann gehen wir zum Tanzen, Paulette?«
    »Wenn dir wieder schwarze Locken wachsen, Loïc.«
    Die drei andern kicherten. Loïcs Kopf unter der Fischermütze war eine glänzende, völlig kahle Kugel.
    »War ein süßes Mädchen, unsere Paulette«, erklärte mir einer der Veteranen.
    »Ist sie noch, Dider. Und sie ist zu haben.«
    »Wenn ihr zwanzig Jahre jünger wärt, könnte ich versucht sein«, beschied Paulette sie. »Aber eigentlich steh ich nicht so auf Hundertjährige.«
    »Bis dahin hab ich noch gut zehn Jahre«, krächzte ein anderer und kicherte. »Noch bin ich im besten Mannesalter.«
    »Klar, Tomaz, was sind schon die paar Zipperlein, die dich an den Stock gebracht haben«, knurrte ein anderer.
    »Du hast da nicht mitzureden, mit deinem Holzbein.«
    »Das braucht wenigstens keine Rheumasalbe.«
    Sie plänkelten eine Weile gutmütig herum, die offensichtlich lange Tradition hatte. Dann aber unterbrach einerder alten Herren den Flirt mit Paulette und fragte: »He, du hast doch damals die alte Veuve Bellard gepflegt.«
    »Als ich noch ein junges Ding war, ja.«
    »Zänkische Hexe, die«, knurrte ein anderer. »Aber dass nun rauskommt, dass der Jerôme gar nicht nach Paris ab ist …«
    »Sie hat immer geglaubt, er habe sie wegen einer Jüngeren verlassen. Das macht die Weiber missmutig.«
    »Na, dass man ihn wie einen Hund erschossen hat.
Mon Dieu
– das hätte ihr auch nicht gefallen.«
    Keldas Neugier war geweckt.
    »Sie kannten die Frau des Toten?«, fragte sie Marie-Claudes Mutter überrascht.
    Paulette nickte. »Ja, als ich gerade mit der Schule fertig war, bin ich bei ihr in Stellung gegangen. Fünf Jahre habe ich diese zänkische Madame betreut, vierundsechzig ist sie dann gestorben. Ihren Mann hat sie in der ganzen Zeit nie erwähnt.«
    »Der war ein Filou«, warf Dider ein. »Leicht hat sie es mit ihm bestimmt nicht gehabt.«
    »Rauf und runter ist es mit ihm gegangen, wisst Ihr noch? Als ich gerade zehn war, hat meine Mutter im großen Haus als Köchin angefangen. Das war so anno neunundzwanzig. Da hat sie mich ein paarmal mitgenommen. Ich war vor Ehrfurcht ganz klein. All diese Teppiche und Lüster und glänzenden Möbel. Und Madame in ihren Pariser Roben.«
    »Tja, aber erwischt hat es sie auch.« Loïc nickte bedächtig. »Da kam die große Krise, und Schluss war es mit Champagner und Seidenkleidern. Er hat alles verloren, und sie mussten in ein kleineres Haus ziehen.« Er sah mich mit seinen uralten Augen an, die vor lauter Vergnügen am Skandal blitzten. »Aber lange hat’s nicht gedauert, da ist er wieder zu Geld gekommen. Fragt besser nicht, wodurch.Jedenfalls sind sie zurück in die Villa, als die Deutschen kamen und die Pariser, die die Villa gekauft hatten, bei Nacht und Nebel verschwunden sind.«
    Lebendige Geschichte, dachte Kelda. Die Ereignisse wurden hier noch so diskutiert, als seien sie erst gestern geschehen. Eine Fremde, die den Toten entdeckt hatte und für die diese Geschichten neu waren, entzückte die alten Skandalnudeln. Und wenn man schon eine ganze Nacht mit einem Mann zusammen verbracht hatte, durfte man ja wohl auch mal neugierig sein, wie denn so sein Lebenswandel war. Sie hörte aufmerksam zu und stellte zwischendurch Fragen, die die vier Alterchen befeuerten, aus der Vergangenheit zu plaudern.
    So erfuhr sie eine Menge über ihn, allerdings musste Paulette ihr hin und wieder die doch sehr eigenwillige Sprache der alten Männer übersetzen.
    Filou war tatsächlich die richtige Bezeichnung für den Herrn mit den zwei

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