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Schiffbruch und Glücksfall

Schiffbruch und Glücksfall

Titel: Schiffbruch und Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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kannst offensichtlich über deine Zeit verfügen, wie du möchtest.«
    »Nicht immer, aber jetzt.«
    Die Getränke wurden ihnen an den Tisch gebracht, und Kelda rührte mit dem Strohhalm in dem Kaffee herum.
    »Na, dann los –
L’histoire de Luc le Gamache!
«
    »Aus Großvaters Geschichten habe ich entnommen, dass sein Vater aus einer Küstengegend stammte. Wo genau sie lebten, habe ich nicht ausfindig machen können. Er selbst hat keine präzisen Angaben dazu gemacht. Aber seine Familie verdiente sich – wie hier üblich – ihr Geld mit Fischerei, Algensammeln und natürlich Schmuggel.«
    »Klar, das hat ja Tradition.«
    »Luc ging bei seinem Vater in die Lehre – in jeder dieser drei Disziplinen. Sowie er mit anpacken konnte, fuhr er mit ihm auf ihrem Logger nach Guernesey hinaus, um Tabak zu schmuggeln. Mit vierzehn ereilte ihn jedoch ein Unglück – sie erlitten Schiffbruch, sein Vater ertrank, Luc wurde nach einigen Stunden von einem anderen Schmuggler aus dem Meer gefischt.«
    »Auch Schiffbruch hat hier Tradition – sind sie an den Felsen gescheitert?«
    »Nein, dem Boot war ein Leck zugefügt worden.«
    »Bitte?«
    »Jemand hatte es so präpariert, dass es auf See volllaufen musste.«
    »Mord? Wer hat ihn umbringen wollen?«
    »Er wollte nie davon erzählen, es muss ein traumatisches Erlebnis gewesen sein. Er hat seinen Vater dabei verloren.«
    »Das, Simon, kann ich mitfühlen.«
    »Richtig, du hast ja auch Schiffbruch erlitten.« Simon spielte verlegen mit seinem Löffel. »Ich war vorgestern ziemlich unsensibel, nicht wahr? Dir Leichtsinn vorzuwerfen?«
    »Schon gut. Wir sind lediglich gekentert. Die See war ruhig, ich hatte eine Schwimmweste an. Wahrscheinlich hätte ich es schon noch irgendwie geschafft, an einer flachen Stelle an Land zu kommen. Ich bin eine gute Schwimmerin. Aber die Strömung zog uns mächtig in Richtung Felsen.« Kelda biss sich auf die Lippen. »Ich hatte Todesangst.«
    »Das glaube ich dir unbesehen.«
    »Und besonders gerne werde ich mich zukünftig daran auch nicht erinnern.«
    »Aber nicht dem Wassersport entsagen?«
    »Für diesen Urlaub schon. Ich wollte mir ohnehin das Land genauer ansehen. Es ist so reizvoll und birgt einen ganz eigenen Zauber.«
    »Das sagte mein Großvater auch immer. Aber dennoch ist er nie wieder hierher zurückgekehrt. Stattdessen schloss er sich den Männern an, die ihn gerettet hatten, Schmuggler, die von Guernesey aus mit England ihren Handel trieben. Ich vermute, es entsprach seinem Sinn für Abenteuer, und ganz offensichtlich hat er sich, so jung er auch war, beständig nach oben gearbeitet. Der Erste Weltkrieg bot natürlich ein reiches Betätigungsfeld für den Schwarzhandel, und 1920 hatte er sich den Namen Luc le Gamache redlich verdient, trug weiße Anzüge und rauchte türkischeZigaretten. Seine Vorliebe galt den Gamaschen, die von zärtlichen Frauenhänden bestickt waren.« Simon lächelte wieder. »Ich muss dir mal ein Foto von ihm zeigen.«
    »Unbedingt.«
    »Er war nicht nur auf sein Äußeres bedacht, er war auch geschäftstüchtig und hatte bald genügend Kapital beisammen, um sich in Plymouth als ehrbarer Spirituosenhändler anzusiedeln.«
    »Ehrbar? An einem Küstenort?«
    »Nach außen schon. Besonders vertrauenswürdige Kunden erhielten jedoch auch immer mal wieder ein Fässchen zollfreien französischen Cognac.«
    »Gute Beziehungen haben sich schon immer ausgezahlt.«
    »Ja, er trug einiges an Vermögen zusammen, und er hatte sogar das Glück, dass er sein Kapital retten konnte, als er 1930 etwas überstürzt nach London abreisen musste.«
    »Manchen Freunden kann man einfach nicht trauen.«
    »Seine Worte. Ich merke, du hast Verständnis für seinen Lebenswandel.«
    »Ja, deshalb nehme ich an, er wird in London wieder auf die gamaschenumhüllten Füße gefallen sein.«
    »Mit Wagemut und Geschäftssinn. Der Zweite Weltkrieg zog am Horizont herauf, und es gelang ihm – frag mich nicht wie –, sich als Spirituosenlieferant eines Offizierskasinos zu etablieren.«
    »Ein krisenfester Job!«
    »Wohl wahr. Er war so beliebt, dass er sogar die Besatzungstruppen nach Deutschland begleitete, und hier schlug dann die Liebe zu. So nannte er es zumindest immer. Er war schon siebenundvierzig, als er sie kennenlernte – die Tochter eines Schiffsausstatters in Bremen. Viel Zeit ließ er sich nicht, zwei Jahre, nachdem er deutschen Boden betreten hatte, kam sein Sohn Henry auf die Welt, drei Jahre später seine Tochter

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