Schiffbruch und Glücksfall
für ein Bistro geeignet ist. Steingut, Fayencen oder so was.«
»Wieso kann man Crêpes nicht von Limoges essen?«
Ja, wieso eigentlich nicht?, fragte sich Kelda. Es würde dem
Marée bleue
eine ganz eigene Note geben.
»Ist das denn erschwinglich?«
»Yves verkauft es nach Stück. Du solltest mit ihm handeln, er schuldet dir noch was wegen des baufälligen Hauses.«
Die Versuchung war ungeheuerlich. Aber was würde Marie-Claude dazu sagen?
Das Veilchenmuster hatte es Kelda angetan. Und die Kornblumen von Sèvres sowie das Geschirr mit Rosen und Vergissmeinnicht. Von allem war reichlich vorhanden, wenn auch die Service nicht vollständig waren. Aber auf Saucieren und Zuckerdöschen konnte man vielleicht wirklich verzichten.
Sie begab sich also zu Yves, der sich mit Händen und Mimik einem englischen Ehepaar verständlich zu machen versuchte. Simon folgte ihr und stellte sich als Dolmetscher zur Verfügung. Die Herrschaften waren leicht zufriedengestellt. Ein schauriges Seestück – die Wellen schlugen hoch über dem Wrack zusammen – wechselte den Besitzer, und Yves strahlte Kelda an.
»Madame Kelda, haben Sie etwas Hübsches gefunden?«
»Einiges, Yves, und nun handeln wir!«
Er strahlte noch breiter. Eigentlich hatte sie keine Übung im Handeln, aber als die Situation festgefahren war, sprang Simon ein, der von ihrer schlimmen Nacht neben dem toten Jerôme mit düsterer Stimme sprach und die schrecklichen Alpträume heraufbeschwor, die sie seither verfolgten. Kelda spielte so gut sie konnte mit. Klagte über schlaflose Nächte und Panikattacken, Simon murmelte »Schadensersatz« und sie »Nachlass«.
Leider hatte Kelda ständig Mühe, ihre Erheiterung zu verbergen, und als sie sich schließlich auf einen moderaten Preis für die vierzig Teller geeinigt hatten, rief Yves den Gnom namens Xavier herbei und beauftragte ihn, das Porzellan in die Kisten zu verpacken.
»Kisten?«, fragte sie.
»Ihre Limoges-Teller in die eine, das Sèvres in die andere. Von jedem vierzig.« Dann grinste er. »Mengenrabatt! Außerdem wird Simon Sie jetzt ins Café einladen.«
»Ach ja?«
»Einen kleinen Schaden soll er ja auch haben.«
»Die Idee ist nicht schlecht. Ich helfe dir, das Zeug einzuladen, dann fahren wir nach Brignogan«, meinte Simon.
Warum nicht?, dachte Kelda. Sie hatte sich sowieso mit ihm unterhalten wollen – um alter Zeiten willen. Sie stieg also ein und schloss hinter seinem Wagen auf. Während der kurzen Fahrt erinnerte sie sich an ihre Bekanntschaft, die vor achtzehn Jahren begonnen und ziemlich genau vor zehn Jahren geendet hatte. Keldas Eltern waren umgezogen, als sie vierzehn war. In der neuen Nachbarschaft wohnte Simon, damals siebzehn, mit seiner Mutter. Sie besuchten dieselbe Schule, weshalb sie sich täglich auf dem Weg dorthin begegneten. Doch er bereitete sich schon auf das Abitur vor und war mit ganz anderen Leuten unterwegs als sie. Erst zwei Jahre später fiel ihr auf, dass er irgendwie immer wieder ihre Wege kreuzte. Sie hatte dem wenig Beachtung geschenkt, sie war mit ihrer ersten großen Liebe beschäftigt. Simons Anhimmelei jedoch half ihr und ihrem Stolz ein halbes Jahr später, als sie in dem zu der heftigen Liebesaffäre passenden herzzerreißenden ersten großen Liebeskummer schwelgte. In diesen Wochen war sie ein paarmal mit Simon ausgegangen, aber mehr als ein freundschaftliches Gute-Nacht-Küsschen an der Haustür war nicht daraus geworden. Der Liebeskummer klang ab, andere Aufgaben und Interessen nahmen seinen Platz ein. Sie beide studierten, trafen sich zwar auch hin und wieder auf eine Pizza oder so, aber mehr wurde nicht daraus, weil Kelda den mageren, schüchternen Simon zwar mochte, aber keinerlei Funken zwischen ihnen übersprangen. Dann verbrachtesie ein Jahr in Nantes, und als sie zurückkam, war Simon ebenfalls nach Frankreich gegangen, wie sie von seiner Mutter erfuhr.
Sie beendete ihr Studium, bekam ihre erste Stelle, zog um, traf auf Matt … kurzum, Simon war aus ihrem Leben verschwunden. Kaum mehr als zwei, drei Mal hatte sie während der vergangenen Jahre an ihn gedacht.
Eigentlich spannend, ihn jetzt wiederzutreffen, stellte sie fest. Dass er Architektur studiert hatte, hatte sie gewusst. Was ihn dauerhaft nach Frankreich verschlagen hatte, würde sie gleich erfragen.
Simon hielt an dem langen Parkstreifen am Kai, sie stellte sich daneben und sah zu dem dreistöckigen Haus auf, das sich mit dem einfallsreichen Namen »Café du Port« schmückte.
»Dann
Weitere Kostenlose Bücher