Schiffbruch und Glücksfall
Zeug befand. Dazwischen wanderten schon einige Besucher umher, die immer mal wieder etwas hochhoben, begutachteten, wieder wegstellten oder zu dem Stand mit der Kasse brachten, hinter der Yves stand, der gerade gestenreich mit zwei Touristen verhandelte.
Sie sah sich um und fragte sich, ob es eine Ordnung in diesem Chaos gab. Langsam schlenderte sie an einem Tisch vorbei und stellte fest – ja, es gab eine Ordnung. Sie befand sich in der Spielzeugabteilung. Eine ramponierte Puppenstube, räudige Plüschteddys, Puppen, die des dringenden Besuchs des Puppendoktors harrten, bunte Bauklötze, ein paar wunderschöne alte Bilderbücher, Barbie in dürftigem Strandlook, ein hübscher alter Puppenwagen aus Weidengeflecht – wirklich alles und jedes, von Müll bis zu wahren Schätzchen war hier zusammengewürfelt. Kelda war fasziniert und nahm sich die nächste Reihe vor. Nautisches bot sich hier. Ein Kompass, der den Norden verlassen hatte, ein Fernrohr, mit dem wohl schon Nelson den Horizont abgesucht hatte, viel stumpfes Messing, eine schimmernde Mahagonikiste mit Sextant – ein Fundstück ohnegleichen. Etliche Schiffsglocken hingen verführerischvom Gestänge des Zeltes. Sie unterdrückte den Drang, eine davon zu läuten. Wer wusste schon, welche Geister man damit rief. Vermutlich viele, und alle wollten eine Lokalrunde von ihr.
Mit technischem Gerät ging es in der nächsten Reihe weiter. Bügeleisen, mit Kohle zu befeuern, rostige Toaster, ein alter Volksempfänger – lebende Geschichte auch hier. Eine uralte Typenhebel-Schreibmaschine, auf der vermutlich Sartre schon seine Finger gewetzt hatte, begeisterte sie, ein Staubsauger der ersten Generation, mehrere Haartrockner, denen sie ihre Frisur nicht anvertrauen würde, zur Ergänzung ein Set elektrischer Lockenwickler – Kuriositäten samt und sonders. Kelda hätte Stunden in Aladins Schatzhöhle verbringen können, aber sie hatte ja einen Auftrag. Also machte sie sich auf die Suche nach der Haushaltswarenabteilung. Ein Teil davon war auf langen Tischen unter freiem Himmel ausgebreitet. Es blinkten Schliffgläser, Karaffen, Kristallvasen, Aschenbecher und Salzfässchen. Die Gläser notierte sie sich im Geiste. Es gab recht viele, die zusammenpassten. Dann aber kam sie zum Geschirr, und hier wollte sie ihren Augen nicht trauen. Marie-Claude hatte einfache Steingutteller verwendet, blaue und weiße. So etwas Ähnliches wollte sie auch wieder erstehen, aber erstens gab es davon nicht viele, und zweitens überwältigte sie, was sie hier vorfand. Sehr vorsichtig hob Kelda eine mit zarten Veilchen bemalte Untertasse. Ihr vager Verdacht bestätigte sich: Limoges. Ein komplettes Limoges-Service für zwölf, wenn nicht mehr Personen stand hier einfach so unter freiem Himmel. Ein Vermögen musste das mal gekostet haben. Sie ging wie im Traum weiter. Zwischen Abscheulichkeiten aus den sechziger Jahren und gnadenlosem Kitsch fand sie immer wieder neue Kostbarkeiten. Wedgewood, Meißen, Sèvres …
Während Kelda schwelgte, traf ein Lieferwagen ein,staubig wie alles hier, und zu ihrer Überraschung stiegen Simon und ein Gnom aus. Der Gnom mochte demselben Jahrgang angehören wie die vier Veteranen, eine verwitterte, o-beinige Gestalt in ausgebeulten Hosen und der obligatorischen Kappe auf dem Kopf. Sie entluden weitere Kisten. Kelda näherte sich neugierig. Noch mehr Schätze?
Als sie Simon fröhlich begrüßen wollte, bemerkte sie seine sauertöpfische Miene und bremste ihren Überschwang. Nüchtern wünschte sie ihm einen guten Tag.
Er stellte die letzte Kiste auf den Boden, nickte ihr zu und fragte, ebenso nüchtern: »Auf Schnäppchenjagd?«
»Ja, aber nicht für mich. Es gab wieder einmal Scherben bei Marie-Claude.«
»Soquette?«
»Aber nein. Die Süße war heute ganz ruhig. Die neuerliche Vernichtung von Geschirr und Gläsern im großen Umfang haben wir leider Matt und Co zu verdanken. Zu viel Rotwein in der Mittagshitze.«
Kelda spürte, dass ihr Ärger über den Vorfall sich wieder in ihr ausbreitete. Simons Miene hingegen hellte sich unerwarteterweise auf. Er schien sich sogar darüber zu amüsieren.
»Schlechte Kombination – Rotwein und Sonne. Das hier ist Xavier«, stellte er ihr den Gnom vor, der sich schwungvoll verbeugte.
»Wo bekommt ihr nur all dieses Zeug her?«
»Haushaltsauflösungen. Hast du was gefunden? Geschirr gibt es immer haufenweise. Hier sind auch wieder drei Kisten voll.«
»Limoges, Sèvres, Meißen … Ich brauche aber etwas, das
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