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Schiffbruch und Glücksfall

Schiffbruch und Glücksfall

Titel: Schiffbruch und Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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sie alt geworden. Für die Zeit ein hohes Alter.«
    »Sie hatte immer genug zu essen.« Dann huschte ein böses Lächeln über ihr Gesicht. »Es wird sie fuchsen, dass sie ihr Jerôme jetzt beigepackt haben.«
    Paulette hatte ihr noch immer nicht verziehen. Aber Gemeinheiten, die man jungen Menschen antat – und sie war gerade erst siebzehn, als sie in Madames Dienst trat –, behält man lange im Gedächtnis.
    »Da neben ihr liegt ihr erster Mann«, sagte Paulette und wies auf den verwitterten Grabstein. Die Neugierigen hatten sich allmählich verlaufen, und Kelda trat näher heran. Die stoppelig graugrünen Flechten, die allerorts Menhire, alte Gemäuer und Grabsteine überzogen, hatten seine Inschrift fast verborgen. Sie kratzte ein wenig daran. Das Gewächs war trocken und löste sich von dem Granit.
    1875–1912 war das Erste, was sie erkennen konnte. Siebenunddreißig war der erste Mann geworden. Sie zupfte noch ein bisschen an den Flechten herum und hatte schließlich auch den Namen freigelegt.
    Herri Trobiant.
    Darunter: Lukaz Trobiant, 1898–1912. Disparu en mer.
    Der Sohn.
    Kelda schnappte nach Luft.
    »Ich glaube, ich habe Simons Urgroßvater gefunden!«, flüsterte sie. Paulette betrachtete ebenfalls den Stein. »Sie wissen doch, Lukaz Tobant hat er sich genannt, als er nicht mehr als Luc le Gamache seinen Geschäften nachging.«
    »
Mon Dieu!
«, sagte Paulette. »
Mon Dieu!
Das wirft ein ganz anderes Licht auf die Angelegenheit.«
    »Ich muss Simon anrufen!«
    Das Handy war mal wieder ganz nach unten in die Tasche gerutscht, aber als sie Simons Nummer wählte, meldete er sich sofort.
    »Ich habe einen Herri Trobiant gefunden.«
    »Was?«
    »Ich stehe an seinem Grab, Simon. Neben ihm wurde 1964 seine Frau Jeanne Bellard begraben. Auf dem Grabstein wird auch an seinen Sohn Lukaz erinnert, der zum selben Zeitpunkt auf See verschollen ist.«
    Simon schwieg.
    Ja, die Zusammenhänge waren erstaunlich.
    Schließlich räusperte er sich und meinte: »Ich muss heute noch ins Büro. Hast du übermorgen schon etwas vor, oder willst du wirklich schon abreisen?«
    »Kann ich jetzt kaum noch, was, Simon?«
    »Bleib noch ein paar Tage.«
    Ja, das sollte sie wirklich. Ihr fiel aber etwas anderes ein. »Simon? Hast du Matt bei den Behörden wegen Wildcampens angezeigt?«
    »Nein.«
    »Okay. Melde dich, wenn du zurück bist.«
    »Ja. Und – danke.«
    Weg war er.

Keltische Knoten
    Soquette nahm ihren Revierdienst sehr ernst. Jeden Morgen kontrollierte sie den Garten und die Terrasse, prüfte nach, ob eine Nachbarkatze eine interessante Mail an der Hecke hinterlassen oder ein Eindringling seine Beleidigungen gepostet hatte. Die einen wie die anderen Nachrichten beantwortete sie gründlich. Später, am Abend, machte sie einen Rundgang durch das Haus. Selbstverständlich begann sie mit der Küche, in der immer einer der Bewohner anwesend war und zu einem Häppchen überredet werden konnte. Dann besah sie sich den Gastraum, ordnete die menschlichen Gerüche dort in angenehme und unangenehme ein, schlenderte in den privaten Bereich hinüber. Im Anbau, in dem ein Wohnraum mit Polstermöbeln zum Ruhen einlud, strebte sie aber gleich darauf in die oberen Gefilde. Hier waren die Schlafzimmer, ein Büroraum voller Papier und Kabelsalat, der ihr nicht besonders gefiel, ein großes Badezimmer, in dem es ihr zu feucht war, obwohl sie manchmal gerne ein paar Schlucke aus dem Wasserhahn trank, wenn Marie-Claude ihn aufdrehte. Noch eine Stiege weiter nach oben, und sie befand sich unter der Dachschräge. Ein Lagerraum mit Tischdecken, Servietten, Sonnenschirmen, Geschirr und anderen Dingen, die unten gebraucht wurden, befand sich rechts und war meistens verschlossen. Links bewohnte eben Kelda das Gästezimmer. Die Tür stand ihr jederzeit offen, was Soquette nett von der derzeit abwesenden Bewohnerin fand.
    Weniger nett fand sie es, dass Gwenaëlle auf der Frisierkommode herumturnte. Es standen Fläschchen und Flakonsdarauf, und wenn etwas davon umfiel und zu Bruch ging, würde man es ihr wieder in die Pfoten schieben.
    »Verpiss dich!«, fauchte sie also.
    »Nö.«
    »Gwenaëlle, hau ab!«
    »Nö.«
    Soquette fauchte frustriert. Sie konnte nichts tun, auf welche Art auch immer sie nach dem Miststück tatzte, es würde Spiegel, Haarbürste, Parfümfläschchen und Puderdose gefährden.
    Sie drehte also der widersetzlichen kleinen Schreckschraube den Hintern zu und untersuchte den Raum gründlich. Kelda war ihr sympathisch. Sie roch

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