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Schiffbruch und Glücksfall

Schiffbruch und Glücksfall

Titel: Schiffbruch und Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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säumten den Kiesweg, weiße Hortensien schäumten um den Sockel des Hauses. Efeu rankte sich an der Wetterseite an den Steinen bis zu einem der Kamine hoch, die hölzernen Läden und Türen waren frisch in einem matten Blau gestrichen. Alles sah gepflegt aus. Jerôme Bellard hatte sich das Sahnestückchen als Grundstück gesichert und ein ansehnliches Haus daraufgestellt. Seine Tätigkeit musste sich gelohnt haben.
    Jemand hupte laut und erbost, und Kelda kehrte zum Wagen zurück, um ihn vom Fahrbahnrand zu entfernen. Man fuhr auf diesen französischen Straßen einen heißen Reifen, und Störenfriede wie sie waren schnell gefährdet. Sie überlegte, ob sie es wagen sollte, weiter zum Strand zu fahren und auf einem der großen Parkplätze hinter der Düne anzuhalten, in der Hoffnung, dass Matt ihr nicht begegnete. Eigentlich war die Bucht groß genug, aber der Junge hatte einen sechsten Sinn dafür entwickelt, wie er sie aufspüren konnte. Andererseits – die Sonne schien, ein leichter Wind wehte, aus dem Radio klang irgendein fröhlicherSong zum Mitsummen, und die schmale Straße wand sich in wilden Schwüngen durch die Felder. Ihren Verlauf musste ein trunkener Matrose einst vorgegeben haben. Dann entdeckte sie aber im Vorbeifahren den staubigen Transporter von Yves’
Truc et Puces
und nahm das zum Anlass, zu wenden und sich neben ihn auf dem sandigen Platz vor einer weiteren Villa zu stellen.
    Hohe, uralte Pinien mit grauen Stämmen und fast schwarzen, sturmerprobten Kronen säumten das Grundstück. Das Anwesen war möglicherweise noch größer und prachtvoller als das der Bellards. Rechts vorne stand ein Pförtnerhaus mit Remise, die Villa selbst protzte mit etlichen Türmchen, hinten im weitläufigen Park schlossen sich weitere Wirtschaftsgebäude an. Vor dem Haus standen der Pick-up eines Installateurs und der Lieferwagen eines Dachdeckers. Kelda stieg aus und schaute sich um. Klopfen und Scharren klang aus der offenen Tür der Remise, etliche undefinierbare Trümmer türmten sich daneben auf.
    »Yves?«, rief sie in den halbdunklen Raum hinein.
    »Oui!«
    Hinter einem Verschlag tauchte seine Mütze auf, er selbst folgte.
    »Ah, Madame Kelda. Wollen Sie entrümpeln helfen?«
    »Gibt es schönes Geschirr hier?«
    »Das nun nicht gerade. Kommen Sie rein.«
    Es war eine fürchterliche Ansammlung von Gerümpel. Mit spitzen Fingern hob Kelda einen zerbrochenen Tennisschläger auf.
    »Was die Leute so alles aufheben.«
    Auch der alte Xavier kam aus dem Gerümpel hervor und musterte den Schläger. »Vielleicht aus sentimentalen Gründen? Möglicherweise hat Madame einst damit das erste Match mit ihrem Zukünftigen gespielt?«
    »Sie sind ein Romantiker.«
    »Alles hat seine Geschichte.«
    Kelda erinnerte sich daran, dass Simon ihn für jemanden hielt, der die Geister eines Hauses aufzuspüren in der Lage war. Vielleicht hatte er recht – oder eben eine fruchtbare Phantasie.
    »Sie haben hier einen Entrümplungsauftrag?«
    »Ja, aber das Haus haben wir schon ausgeräumt. Ist Simons Baustelle. Jetzt arbeiten sie schon an den Leitungen.«
    »Hat es sich gelohnt?«
    »Dies und das findet sich immer.«
    Zerbrochene Gartenmöbel, ein schimmeliger Sonnenschirm, ein verkohlter Gartengrill, eine Matratze, die von regem Verkehr zeugte, ein Bollerwagen ohne Räder, eine Standuhr – okay, die mochte Yves’ Möbelabteilung ergänzen –, allerlei kaputtes Kinderspielzeug, schlaffe Bälle, kopflose Puppen, ein Laufstall.
    Yves wuchtete die Uhr von der Wand, und Xavier griff mit zu. Sie gongte leise.
    »Wem die Stunde schlägt«, murmelte Kelda.
    »Sie hat mehreren geschlagen«, brummte Xavier und stellte sie im Sonnenlicht an der Hauswand ab.
    »Sieht gut aus!«, meinte Yves und strich über das staubige Holz. »Wird sich bald einer für interessieren.«
    Kelda aber interessierte plötzlich Xaviers Bemerkung mehr.
    »Wem hat die Stunde geschlagen?«
    Er grinste sie an. »All den Bewohnern, die in diesen Mauern gestorben sind, natürlich.«
    »Willst du dem Mädchen deine Schauergeschichten erzählen?«, grummelte Yves.
    »Ich würde sie gerne hören. Seit ich die Nacht in Ihrem Haus verbracht habe, bin ich geradezu süchtig nach Schauergeschichten.«
    Xavier schnaubte. »Das ist was ganz anderes.«
    Aber er hockte sich auf einen wackeligen Stuhl, zog ein Päckchen Tabak aus der ausgebeulten Hosentasche und begann sich eine Zigarette zu drehen.
    »Alte Häuser haben auch Geschichten. Und manche Gefühle bleiben in den Ecken

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