Schiffbruch und Glücksfall
hatte er seinen Lebensunterhalt bestritten. Der Schmuggel verschaffte ihm ein Zubrot und – Abenteuer. Luc hatte ihn begleitet, und da beide Bretonisch, nicht Französisch sprachen, mochte die Verständigung mit den walisischen Abnehmern wenig Probleme bereitet haben. Weshalb er vermutlich auch zunächst in Cornwall ansässig wurde.
Geschäftstüchtig, hart arbeitend, abenteuerlustig.
Solche Männer konnten sehr attraktiv sein. Sechzehnjährige Bürgermeistertöchter erlagen ohne Zweifel ihrem rustikalen Charme. Aber war die Ehe, die daraufhin geschlossenwurde, glücklich? Oder war der Rausch der Leidenschaft schnell verflogen? Herri hatte seinen Sohn – für einen Mann jener Zeit ein Gewinn. Wenn nicht emotional, so doch in arbeitstechnischer Hinsicht. Jeanne aber hatte keine weiteren Kinder bekommen. Ungewöhnlich in jener Zeit. Hatte sie Fehlgeburten? Oder waren andere Kinder im Kindbett verloren? Oder verwehrte sie sich ihrem Gatten im Bett? Oder hatte er sich mit anderen vergnügt?
Wenn sie eine so zänkische, auf ihren Stand bedachte Frau im Alter gewesen war, dann war Jeanne es sicher in ihrer Jugend auch schon gewesen. Und hatte vermutlich dem armen Herri das Leben mit ihren Ansprüchen zur Hölle gemacht.
Kelda lächelte vor sich hin.
Wie viel mochte Simon von Luc le Gamache geerbt haben? Sie war neugierig auf das Foto, von dem er gesprochen hatte. Zumindest war auch Simon ein harter Arbeiter, und geschäftstüchtig war er auch, denn sonst hätte er nicht so schnell wieder Fuß gefasst.
Er sah inzwischen auch fraglos gut aus. Vielleicht sogar ein bisschen abenteuerlich.
Warum hatte sie eigentlich diesen blöden Stein auf den Menhir geworfen?
Diesen Gedanken schüttelte Kelda jedoch mit Nachdruck ab und stand auf, um zu der Villa zurückzukehren, wo ihr Auto stand. Zwei Stunden waren vergangen, und so lange würde Matt sicher dort nicht ausgeharrt haben.
Herkunftsgeschichten
An manchen Tagen war das Miststück freundlich. Und Soquette, die in der drückenden Luft ein wenig schlaff zwischen den Stockrosen lag und nur dann und wann träge mit den Ohren zuckte, wenn eine Mücke sie umsirrte, hob langsam die Lider, als Gwenaëlle sich an die rote Blüte hängte und leise zu schaukeln begann.
»Wird ein Gewitter geben«, fing sie mit süßer Stimme eine Konversation an.
»Was du nicht sagst.«
»Ja, sag ich. Ich freue mich schon drauf.«
»Du willst gut Wetter machen?«, spöttelte Soquette und streckte sich – einmal vorne lang, einmal hinten lang, einmal Buckel in der Mitte.
»Ich hab keinen Stress mit dir«, säuselte Gwenaëlle.
»Nicht? Und warum machst du mir dann immer das Revier streitig?«
»Weil ich so viel länger hier lebe als du. Da entwickelt man eben seine Gewohnheiten.«
Soquette überdachte das und musste ihr recht geben. Man entwickelte so seine Rituale und Eigenheiten, wenn man sich irgendwo niederließ. Und natürlich war die Korrigane schon vor ihr hiergewesen.
»Wann bist du denn hier eingezogen?«, fragte sie also friedfertig. Die Schwüle reizte sie nicht eben zum Herumstreunen und Mausen, sondern lud zu einem entspannten Plausch ein. Und da Gwenaëlle sich gesellig zeigte, legte sie sich gemütlich hin und stellte die Ohren auf.
»Tja, weiß ich nicht mehr so genau«, sagte die Korriganeund ließ sich von der Stockrose fallen. Sie setzte sich im Schneidersitz neben Soquette und hatte einen versonnenen Ausdruck im Gesicht. »Das war schon, bevor die Leute mit den Steinen hier lebten. Da war mein Clan bereits seit langer Zeit hier ansässig. Dann kamen die ersten Menschen, und wir teilten uns das Revier.«
»Teiltet euch das Revier? Konnten die Menschen euch sehen?«
»Ja, damals konnten die Menschen das noch. Aber sie verloren mit der Zeit diese Fähigkeit. Die anderen, die nach ihnen kamen, bemerkten uns nur noch an ganz besonderen Stellen oder zu ganz besonderen Zeiten.«
»Wann und wo?«
»An den alten Steinhügeln und Menhiren zum Beispiel. Oder an den Quellen. Und dann auch nur noch zu den Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen. Oder manchmal in den Dämmerstunden.«
»War das nicht doof für euch?«
»Nö. Praktisch. Man kann den Leuten, die einen nicht sehen, so schön Streiche spielen.«
»Das machst du ja gerne.«
»Weißt du eigentlich, wie langweilig das Leben über die Jahrtausende werden kann.«
Soquette stellte fest, dass ihr Gwenaëlle plötzlich ein bisschen leidtat. Sie schnurrte leise, und die Korrigane blinzelte überrascht.
»Das hat schon
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