Schiffbruch und Glücksfall
und Sahne zum Beispiel. Wein gehörte hingegen nicht zu Soquettes Lieblingsgetränken.
»Manchmal, Marie-Claude, habe ich das Gefühl, dass deine Katze irgendwelche Geister jagt.«
»Eingebildete Mäuse vermutlich. Dummköpfchen!«
Empört drehte Soquette Marie-Claude den Hintern zu.
Wenn die wüsste!
Und überhaupt, wo war das spitzohrige Miststück?
Soquette sah sich um. Da! Ja, da oben flatterte Gwenaëlle. An Keldas Schlafzimmerfenster. Egal, was die Leute jetzt von ihr dachten, sie musste hinterher. Sie raste los. Ins Haus, die Stiegen hoch, durch die Tür in den Raum unter dem Dach. Und gerade noch konnte sie sehen, wie die Korrigane die beiden Haarringe in Keldas Kopfkissen steckte und dann flugs durch das offene Fenster entschwebte. Ihr Kichern hörte sie noch, als sie ihren Blicken längst entschwunden war.
Das war Unfug. Ganz gewiss war das ein ganz grober Unfug. Der musste verhindert werden. Aber wie? Soquette sah auf ihre Pfoten. Mit den Krallen wäre es ihr ein Leichtes, den Kissenbezug zu zerfetzen. Aber dann würde sie wieder nur gescholten werden.
Besser wäre es, wenn Kelda selbst die Haare finden würde.
Wenn sie zu Bett ging. Genau. Sie hatte es ja gerne, wenn sie sich zum Einschlafen eine Weile zu ihr legte und ihr etwas vorschnurrte.
Aber obwohl es schon dunkel geworden war, machten die Menschen unten auf der Terrasse keine Anstalten, schlafen zu gehen. Es musste wirklich etwas Aufregendes sein, was es zu beraten gab. Soquette trabte wieder zu ihnen, um zu lauschen, ob sich etwa eine Veränderung anbahnte, die sie selbst betraf. Veränderungen mochte sie nämlich nicht so gerne.
Aber das schien nicht der Fall zu sein, Paulette erzählte gerade von irgendeiner Jeanne, über die sie sich geärgert hatte, und Kelda betrachtete versonnen eine Fotografie.
Das Menschengemurmel zusammen mit dem Rauschen der Flut machte Soquette dösig. Sie schlummerte unter dem Tisch ein, und als sie wieder aufwachte, war die Terrasseleer, die Lichter hinter den Fenstern waren erloschen, und die Haustür hatte man verschlossen.
Dumm gelaufen, knurrte sie und verzog sich unter einen Hortensienbusch.
Zauberwirken
Als Kelda am Morgen erwachte, hatte sie das Kopfkissen fest umarmt und an ihre Brust gerückt. Verwirrt blinzelte sie in die Sonnenstreifen, die durch die Fensterläden fielen, und ließ das Kissen los. Schon wieder hatte sie äußerst intensiv von Luc le Gamache und dann von Simon geträumt. Nicht unangenehm, nein, wirklich nicht. Und sicher auch nicht unerwartet. Bis spät in die Nacht hatten sie über Simons Großvater gesprochen, und sie hatte die alte Fotografie von ihm lange betrachtet.
Lächelnd knuffte sie das Kissen noch einmal.
Erstaunlich, was Simon herausgefunden hatte! Das Haus, das er so lange gesucht hatte – es lag direkt vor seiner Nase. Es war sozusagen sein persönlicher Glücksfall, das erste Gebäude, das er nach seinem unrühmlichen persönlichen Schiffbruch wieder renoviert hatte. Paulettes Vater hatte es vor gut siebzig Jahren von einem Monsieur Bernard gekauft, der es zuvor von Jerôme Bellard erstanden hatte. Damals wurde das ehemalige Fischerhaus zu einer kleinen Bar umgebaut. Paulette selbst hatte es mit ihrem Mann Anfang der Neunziger übernommen und nach dem Tod ihrer Eltern geerbt. Als Paulettes Mann starb, hatte sie es ihrer Tochter Marie-Claude übertragen, die es zur Crêperie umbauen ließ. Von Simon.
So kamen alle Fäden zusammen.
Kein Wunder, dass sie lebhaft von Simon geträumt hatte.
Kelda warf energisch die Bettdecke zur Seite, stand aufund suchte ihr kleines Badezimmer auf. Mit feuchten Haaren kehrte sie zurück, und in diesem Augenblick kam Soquette in das Zimmer gestiefelt, maunzte vielsilbig, sprang auf das Kopfkissen und starrte Kelda herausfordernd an.
»Guten Morgen, Süße«, grüßte sie die Katze freundlich und streichelte ihr den Kopf.
Soquette schnurrte, fing aber an, an dem Kissenbezug zu kratzen.
»Na, was soll das denn?«
»Mirrips Mau!«
»Gefällt dir das Muster nicht, oder was ist los?«
»Maumaumau!«
Kopfschüttelnd betrachtete Kelda die aufsässig tatzende Katze.
»Du machst das kaputt, Soquette!«
»Mau!«
»Runter da!«
»Mirr!«
Als Kelda sie anfassen wollte, um sie hochzuheben, krallte Soquette nach ihr. hob dann demonstrativ den Schwanz und pinkelte auf das Kopfkissen.
»Soquette, du Ferkel!«, schrie Kelda sie an, und die Katze machte einen Satz auf den Boden und sauste aus der Tür.
Kelda sah ihr empört nach
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