Schiffstagebuch
Schlappen der vielen Füße, das Restaurant am Lotusteich, die Männer und Jungen, die früher »Transport, Transport« riefen und jetzt »Taxi, Taxi«, wiedergefunden den Ort, wo ich damals geschlafen habe, 15 Euro auch heute noch und dasselbe Zimmer mit der vanillefarbenen Wand und der Mattglasscheibe zum winzigen Bad, der Hang voll tropischem Grün und unten an seinem Fuß der schnelle Fluß. Und genau wie damals, auf dem Weg zu meinem Zimmer, vorbei an der Bar mit dem Schilfdach, in der niemand je sitzt, gleich vor der kleinen Steintreppe nach unten: ein kleiner Kreis aus Blumen auf dem Boden, eine Opfergabe, um den Zorn der Unterwelt zu bannen. Von Geistern beseelt, wie gesagt. Hier kostet es wenig Mühe, es zu glauben. A bouquet a day keeps the demonsaway . Die Benediktiner beten am Ende jedes Tages vor dem Schlafen procul recedant somnia, et noctium fantasmata , halte uns fern die Träume, die Trugbilder der Nacht.
Und Nacht wird es früh. Wenn ich bei Dunkelheit ins Hotel zurückkomme, gehe ich am Wächter vorbei, er lacht, ich lache, ich mache ein Kreuz neben den Dingen, die ich zum Frühstück möchte. Das Kreuz bedeutet leise Schritte auf der Terrasse um sieben Uhr, in der Kühle des Morgens. Die Frau von Zimmer 3, die immer hinter einem Moskitonetz auf ihrer Terrasse sitzt und liest und deren Gesicht ich während der ganzen Zeit nie richtig gesehen habe, liest auch jetzt noch zu dieser späten Stunde, weiß der Himmel, mit welchem Universum sie durch ihr Buch verbunden ist.
Unter den sanften Rufern auf den Gehwegen habe ich einen ausgesucht, Ketut, immer zum Lachen aufgelegt, Muslim ohne Probleme mit den Hindutempeln. Heute wollen wir nach Pura Sakenan fahren, Ketut, die Fotografin, unser ostindischer (und das ist etwas anderes als indonesischer) Freund Max, der aus seiner frühkolonialen Jugend die Wörter ausgräbt, die wir brauchen, sein Freund Will. Jedes Auto auf Bali fährt inmitten eines Luftgeschwaders aus Motorrollern, eines wilden Mopedschwarms. Luftgeschwader ist das richtige Wort, sie fahren nicht, sondern scheinen zu fliegen, man weiß nie genau, wo sie sich gerade befinden. Sollte sich der Fortschritt irgendwann einmal durchsetzen, so wird dieser besessene Schwarm in Form von Autos auf die Erde zurückkehren, dann bekommt das Paradies vierspurige Straßen, und die Engel werden vertrieben. Doch soweit ist es noch nicht. Ketut weiß, wie er sich durch tausend Engel hindurchmanövrieren muß, ohne einen zu streifen, ich muß mirmanchmal die Augen zuhalten, denn meine Bilder sind nicht übertrieben, es sind zu manchen Zeiten Tausende, die auf den schmalen Straßen unterwegs sind. Durch die Helme ähneln die fernöstlichen Gesichter den Maskierten aus dem Mahabharata , doch sogar das Schwärmen ist ästhetisch, die Anmut der einzelnen Fahrer ist auf den gesamten Schwarm übergeschlagen, sie surfen auf Wellen, die niemand sieht.
Pulau Serangan
Zur Zeit Bernet Kempers‘ war Pulau Serangan noch eine Insel an der Südostküste Balis. Man konnte sie mit einer prahu (Prau) erreichen, mußte jedoch achtgeben, bei Ebbe nicht auf Grund zu laufen, weil man dann nicht mehr von der Insel kam. Diese Probleme gibt es nicht mehr, man hat eine Brücke gebaut. Auf den beiden Karten, die ich von Bali habe, ist sie nicht eingezeichnet, das heißt, ich weiß noch immer nicht, wie wir zu den beiden pura auf der Nordseite der Insel gekommen sind, vielleicht ist Ketut ja geflogen. Er bringt uns bis zu einem großen Schild, das Aufmerksamkeit erheischt: PERHATIAN! ATTENTION PLEASE!
Mag er auch Muslim sein – die Tabus anderer nimmt er ernst, und das Schild fordert uns auf, to keep the sacral and the clean of this temple, so that: for women who are in coming moon is forbidden to enter the temple – is forbidden to climb the building – to make dirty the wall of the building, is not allowed for having sex, and it is forbidden to enter the temple without sarong . Keines dieser verbotenen Dinge führen wir im Schilde, und für das Problem des Sarong gibt es einealte Frau, die uns einen leiht. All diese verblichenen Fotos aus den Familienalben werden wird plötzlich unangenehme Wirklichkeit, nur Max und Simone können einen Sarong anmutig tragen, Will und ich werden sofort zu grobschlächtigen holländischen Verwaltungsbeamten neben einem javanischen Fürstenpaar. An diese Fotos aus der Kolonialzeit erinnere ich mich am besten, eine Veranda, ein javanischer oder balinesischer Regent mit all seinen Insignien und
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