Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
geblendet, klappten meine Augen wieder zu, und aus ihren Winkeln liefen brennende Tränen. Wo kam die Sonne plötzlich her? Ein Gefühl der Panik ergriff mich, doch ich spürte, dass ich meine Arme bewegen konnte, drehte mich also auf den Bauch und öffnete erneut die Augen. Ich hatte saftiges Gras vor mir und den Geruch einer wilden Kamillenpflanze. Verstört setzte ich mich auf und sah mich um.
Wie es schien, befand ich mich auf einer Wiese an einem Waldrand, der aus Eichen und Buchen bestand, die ich fassungslos anstarrte. Mein Herz machte wilde Sätze, eben stand ich noch in einer alten Ruine in Zentralamerika und jetzt ... wo, zum Teufel? War das ein Traum? Wir hatten den Kristall berührt und dann ...
Ich musste ohnmächtig geworden sein, aber wie kam ich in den Wald? Einen Wald, den es hier gar nicht geben konnte? Plötzlich hörte ich eine vertraute Stimme meinen Namen rufen.
„Isabel! Wo bist du bloß?“ Anettes Stimme klang panisch.
„Hier drüben“, rief ich und erhob mich, erleichtert sie zu sehen.
„Was ist bloß passiert? Wo sind die anderen? Und wo ist der verdammte Urwald hin?“
Ihre Stimme schwankte und ihr Gang ebenso, als sie über die Wiese auf mich zu kam.
„Ich habe keine Ahnung. Jedenfalls weiß ich jetzt, es ist nicht allein mein Traum“, stellte ich trocken fest und ging langsam und zittrig über die Wiese.
Im hohen Gras lagen vermutlich Karin und Barbara, ebenfalls ohnmächtig. Ich rieb mir meinen schmerzenden Nacken und fragte mich, wie lange ein Schleudertrauma für gewöhnlich anhielt. Anette folgte mir zitternd und schweigend.
In mir herrschte noch immer Fassungslosigkeit. Ich fühlte mich verwirrt und orientierungslos. Noch ein bisschen, und ich würde den Verstand verlieren. Robert, wo bist du nur, wenn ich dich brauche? Du hast mir nicht erzählt, dass man im Dschungel keine Halluzinationen verursachenden Kristalle in Ruinen berühren darf.
Wir fanden Barbara und Karin fast nebeneinander, mit leicht verdrehten Gliedmaßen im Gras liegen. Ich rüttelte Karin sachte, Anette versuchte Barbara zu wecken. Nach einer Weile schlugen sie die Augen auf, setzten sich und blickten verdutzt umher. Unter anderen Umständen hätte ich über ihren Gesichtsausdruck gelacht.
„Was ist denn jetzt wieder passiert?“, fragte Karin gedehnt.
Barbara blickte sich noch immer schweigend und ungläubig um.
„Wir wissen es auch nicht. Aber hier sieht es nicht aus wie in Zentralamerika.“
Anette lachte hysterisch auf und betrachtete fasziniert die Laubbäume.
„Ich glaube das einfach nicht“, sagte sie mit zittriger Stimme.
„Aber wo sind wir denn dann?“, entfuhr es Barbara.
Ich erschrak ein wenig über ihre heftige Reaktion, da sie sonst von zurückhaltender Natur war. Ich hob eine Hand und machte eine Geste, die zur allgemeinen Beruhigung beitragen sollte.
„Geht es euch allen gut? Ich kann nicht sagen, dass er mir wehgetan hätte, der Kristall meine ich.“
Alle bestätigten meine Erfahrung, auch ihnen ging es den Umständen entsprechend gut, und wir waren uns einige, dass der Kristall irgendetwas mit unserer Situation zu tun haben musste.
„Hier ist es nicht so drückend heiß“, stellte Karin fest.
Der Schweiß auf unserer Haut war bereits getrocknet.
„Und die Luftfeuchtigkeit ist angenehm. Wie zu Hause“, sagte ich und zog an meinem T-Shirt, das in den vergangenen Tagen an meiner Haut geklebt hatte, sich jetzt aber locker und luftig anfühlte.
„Also noch mal zum Mitschreiben“, versuchte Anette das Chaos zu sortieren. „Wir standen in dieser Ruine und berührten den leuchtenden Kristall“, sagte sie leichthin, als wenn Kristalle schon immer die Angewohnheit gehabt hätten, hin und wieder aus eigenem Antrieb gespenstisch zu leuchten. „Dann wurde mir furchtbar schwindelig, und ich bin auf dieser Wiese wieder zu mir gekommen.“ Sie machte eine ausladende Handbewegung über die Wiese, und wir nickten. „Gut“, sagte sie und senkte nachdenklich den Blick.
„Und was sagt dir das?“, wollte ich wissen.
„Dass das völlig verrückt ist!“, rief Anette und lachte angespannt.
Wir schwiegen eine Weile, wobei wir uns ratlos umsahen. Die Gegend gab sich hügelig, hinter uns erhob sich die Landschaft bergig, etwa wie in einem deutschen Mittelgebirge. Alles wirkte friedlich, und ich empfand eine seltsame innere Ruhe bei dem Anblick, als wenn man von einer langen Reise nach Hause zurückkehrt.
„Es könnte Einbildung sein. So etwas habe ich in einem
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