Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
durch die Last unserer Koffer nach hinten kippte.
In Ermangelung einer Treppe half er uns beim Einsteigen, indem er uns seinen hilfreichen Arm entgegenstreckte und mir den meinen dabei beinahe aus der Schulter kugelte. Ich rieb mir den Oberarm und quittierte seine Hilfe mit einem übertriebenen Lächeln, woraufhin er sich krampfhaft ans Herz fasste und schwor, tödlich getroffen zu sein. Fröhlich lachend ging er an mir vorbei, und ich sah ihm wenig belustigt nach. Für derartige Spielchen war mir viel zu schlecht, außerdem fand ich sein Benehmen rüde, die Maschine viel zu klein, meinen Magen viel zu leer, und müde war ich auch noch.
Vorsichtshalber setzte ich mich nicht ans Fenster. Neben mir nahm Barbara Platz, Anette und Karin saßen vor uns. Die Maschine war nur unwesentlich größer als eine Sardinenbüchse. Sie machte einen ungepflegten Eindruck, obwohl sie vom hygienischen Standpunkt aus gesehen sauber war. Mein Blick schweifte über abgewetzte Sitze, registrierte angestoßenen Innenlack, doch der Rumpf wirkte intakt und stabil, soweit ich das beurteilen konnte. Ein bisschen beruhigter, aber dennoch hastig meinen Reisekaugummi kauend, wandte ich mich an den Piloten.
„Gibt es hier wilde Indios?“
Er versuchte gerade mit dem Funkgerät Kontakt zum Tower aufzunehmen und antwortete daher nicht sofort. Nachdem der Tower etwas Englisches gekrächzt hatte, wandte er sich um und beantwortete meine Frage.
„Jack.“
„Hier gibt es wilde Jacks?“
„Nein. Ich heiße Jack. Und nein, die Indios sind alle zivilisiert, was immer das auch heißen mag.“
Die letzte Bemerkung murmelte er vor sich hin, während er die Fluginstrumente checkte und von einer quäkenden Stimme aus dem Funkgerät die Starterlaubnis entgegennahm. Ich erwiderte nichts, suchte nach dem anderen Ende meines Gurtes und beschloss, nicht länger über Indios auf dem Kriegspfad nachzudenken. Jack warf den Motor an, und die Maschine setzte sich überraschend sacht in Bewegung.
Wir beschleunigten unter einer enormen Lautstärke, und ich spürte, wie die Räder den Bodenkontakt verloren und ich leicht in den Sitz gedrückt wurde. Kein Vergleich zum Beschleunigungsfaktor des Düsenjets, aber dennoch beeindruckend. Kaum zu fassen, dass ein winziges Flugzeug wie dieses so viel Schub entwickeln konnte. Ich schloss die Augen, und meine Finger verkrampften sich um die Rückenlehne des Vordersitzes. Barbara legte beruhigend ihre Hand auf meinen Arm und begann mit Jack ein Schwätzchen zu halten. Mir wäre es lieber gewesen, sie hätte ihn nicht abgelenkt. Ich starrte auf den dunklen Zopf in seinem Nacken und spürte, wie sich mein Magen zusammenkrampfte. Doch Jack war anscheinend ein Profi, denn ohne größere Schwierigkeiten gewann die Maschine schnell ihre endgültige Flughöhe und glitt wie ein dickes, brummendes Insekt durch den tiefblauen Himmel. Der Motor war so laut, wir mussten uns gegenseitig anschreien.
„Du kannst wieder atmen, wir sind oben“, informierte mich Barbara.
Ich stieß ihr sanft gegen die Schulter, atmete jedoch hörbar auf. Sogar meine verkrampften Finger ließen sich wieder von der Lehne lösen. Ich schloss die Augen, um mich besser entspannen zu können. Zwei Stunden Flug müsste ich wohl durchhalten, aber mit Robert wäre es mir leichter gefallen. In solchen Situationen, versuchte ich immer das Ganze in meinem ansonsten straff durchorganisierten Leben als ein Abenteuer anzusehen. Dies war bereits das dritte, das ich ohne Robert mit meinen Freundinnen zusammen erlebte. Ich musste daran denken, wie wir vor zwei Tagen noch Barbaras fünfundzwanzigsten Geburtstag und gleichzeitig, mit unseren viel beschäftigten Männern, den bevorstehenden Urlaub gefeiert hatten. Genau genommen feierten wir nur mit drei Männern, denn Barbara lebte allein. Wir anderen hatten uns merkwürdige Exemplare dieser Gattung ausgesucht. Karin war siebenundzwanzig und lebte mit einem ewigen Kunststudenten zusammen. Er steckte, wie immer, in einer wichtigen Prüfung. Anette kannte ich schon seit meiner Kindheit. Ihr Freund verfolgte ernste Absichten, doch Anette ließ sich nicht drängen, denn mit ihren vierundzwanzig Jahren wollte sie ihre Freiheit noch ausgiebig genießen. Er hätte zwar mitfliegen können, machte jedoch einen Rückzieher, als er hörte, er wäre der einzige Mann im Östrogen-Geschwader. Wenigstens hatten sich unsere Partner an unsere Unzertrennlichkeit gewöhnt.
Letztes Jahr besuchten wir vier gemeinsam Australien. Um nichts
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