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Schimmer der Vergangenheit (German Edition)

Schimmer der Vergangenheit (German Edition)

Titel: Schimmer der Vergangenheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fraser
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studierte ihn genauer. Er sah nicht wie ein nordamerikanischer Indianer aus.
    „Mütterlicherseits. Mom ist eine Sioux“, ergänzte er.
    „Kein Wunder, dass du dich so gut mit dem Thema auskennst. Aber was heißt, ich sei ein gutes Medium?“
    Er ließ die Locke los, und sie schnellte in ihre vorherige Position. Dann griff er nach einer anderen und begann das Spiel von vorn.
    „Die Krieger nahmen auf diese Weise Verbindung auf mit Naturgeistern und den Geistern ihrer Ahnen.“ Wieder schnellte eine meiner Locken dicht an meinem Auge vorbei. „Du könntest versuchen, auf diese Weise mit dem Indio Kontakt zu bekommen.“
    Ich wollte nichts davon wissen.
    „Überlege es dir, ich will dich nicht überreden. Es klappt nicht, wenn du Angst davor hast“, sagte Jack mit eindringlicher Miene.
     
    Wir sprachen mit Anette am nächsten Tag darüber, als wir nach dem Nachmittagskaffee noch die Einzigen im Esszimmer waren. Anette hatte zu meiner Überraschung schon von solchen Ritualen gehört, mir aber nie etwas davon erzählt.
    „Ich habe mich einmal zu einem Schamanenwochenende angemeldet“, sagte sie leichthin.
    „Was ist denn das?“, fragte ich. Dann erblickte ich einen Keks, der noch einsam auf dem Teller lag und sich über die Ungerechtigkeit beklagte, als Letzter übrig geblieben zu sein. Gnädig erlöste ich ihn von seinem Schicksal.
    Anette löffelte Zucker in ihren dritten Kaffee und überlegte, während sie umrührte. „Also, du sitzt nackt und schwitzend um ein Feuer in einem Tipi. Trommelmusik und Gesänge lullen dich ein. Dann begegnest du deinem indianischen Krafttier, dem Totem, wenn du Glück hast. Aber die Veranstalter garantieren, dass man zumindest in Trance fällt und irgendwelche geistigen Erkenntnisse gewinnt. Das stimmt auch, denn am Ende gewinnst du die Erkenntnis, dass du um fünfhundert Mark ärmer bist.“
    Sie lachte, und wir schwiegen einen Moment. Das war mal wieder sehr ernüchternd und typisch für unser sensations- und geldgieriges Jahrhundert.
    „Hast du das etwa mitgemacht?“, fragte ich und war auf die Antwort gespannt.
    „Nein, sie bekamen nicht genügend Teilnehmer zusammen, und es ist ausgefallen.“
    Jack schüttelte den Kopf. Ich hatte bereits sein ablehnendes Gesicht bemerkt.
    „Die spinnen doch, die Europäer“, sagte er. „Mit so etwas macht man weder Geld noch irgendwelche Experimente.“
    Er war zutiefst empört. Seine Reaktion erschien mir übertrieben. Modeerscheinungen wie die Aufforderung „Erkenne-dich-selbst“ oder „Zehn-Minuten-täglich-meditieren-und-dein-Leben-ändert-sich-schlagartig“ nahm ich nicht ernst. Es gab immer Menschen, die wirklich auf einer spirituellen Suche waren, und welche, die sich alles kurz ansahen, es dann für Humbug erklärten und wieder zurückgingen in ihre alten Tretmühlen, die sie für ihr Leben hielten. Jeder sucht eben auf seine Weise nach der Erleuchtung, und ich fragte Jack, was so schlimm daran sei. Wieso sollte man damit keine Experimente machen? Was konnte schon passieren?
    Er räusperte sich und hob dozierend den Zeigefinger.
    „Erstens ist es entwürdigend gegenüber dem indianischen Volk, und zweitens, ja, es kann etwas passieren. Wenn du zum Beispiel nicht damit zurechtkommst, was du während der Trance erlebst, kann deine Seele ganz schön durcheinander geraten, und dann brauchst du einen Psychiater, der sie wieder sortiert.“
    „Gut, dass es ausgefallen ist“, sagte Anette erschrocken. „Ich hatte ja keine Ahnung.“
    Ich schenkte Jack etwas Kaffee nach und wartete, bis er sich wieder beruhigt hatte, denn seine Ausführungen hatten einen starken Emotionsgehalt. Meine Ahnungslosigkeit erschreckte mich. Ich dachte, spirituelle Suche sei etwas Gutes und Ungefährliches. Aber was ich eben gehört hatte, ließ mich die Dinge in einem neuen Licht sehen. Ich brachte das Gespräch wieder in Gang.
    „Kennst du dein Krafttier, Jack?“
    Er grinste über den Rand seiner Tasse.
    „Natürlich.“
    „Lass mich raten“, sagte ich und war mir plötzlich ganz sicher. „Du bist ein Tiger“, sagte ich stolz.
    Er verschluckte sich am Kaffee, hustete, und Anette reichte ihm eine Servierte. Er machte einige Stimmbandproben, bevor er amüsiert sprach.
    „Hast du in Nordamerika schon mal einen Tiger gesehen?“
    „Ach so“, sagte ich gekränkt. „Aber etwas Katzenhaftes hast du an dir, komm schon, sag es mir“, drängte ich, doch er blieb hart wie eine deutsche Eiche.
    „Nein, das ist geheim.“
    Womöglich war es ein

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