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Schimmer der Vergangenheit (German Edition)

Schimmer der Vergangenheit (German Edition)

Titel: Schimmer der Vergangenheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fraser
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gestifteten Bürgerhospital. Es verfügte über Lesesäle, und jeder Bürger konnte den Vorlesungen der Mediziner über die neuesten medizinischen Erkenntnisse zuhören. Außerdem konnte man, wie in modernen Universitäten in meiner Zeit, bei Operationen zuschauen. Ich war sehr beeindruckt, ließ mir ein solches Spektakel jedoch freiwillig entgehen.
    In den angrenzenden großen Gärten wuchsen Heilkräuter, die als einzige Medizin zur Verfügung standen. Nach Senckenbergs Willen waren Kranke aller Religionen und aller Stände im Bürgerhospital aufzunehmen.
    Im Gegensatz zur üblichen obrigkeitlichen Bevormundung stand das Hospital unter ärztlicher Selbstverwaltung. Dabei war die Gleichberechtigung der Kranken eigentlich unvereinbar mit dem Dogma der ständischen Ungleichheit der Menschen. Ein wichtiger Schritt für mehr Humanität. Die Erkenntnisse der Mediziner über die natürliche Gleichheit aller Menschen und die freie Forschung schufen eine Art Insel bürgerlicher Freiheit und Gleichheit.
    Barbara erzählte uns, dass es noch vor zehn Jahren keiner Standesperson möglich gewesen war, einen Ertrinkenden im Main zu retten, da das Handanlegen an einen bürgerlichen Menschen nicht mit der Standesehre vereinbar gewesen wäre, und niemand hatte sich daran gestört. Diese Einstellung weichte langsam auf, und daran hatten die Mediziner einen großen Anteil. Sie erkannten auch, dass man bei der Fertigung von Schuhen darauf achten sollte, dass der Mensch über zwei verschieden geformte Füße verfügte.
    Bisher waren tatsächlich beide Schuhe gleich geschnitten. Als ich das hörte, konnte ich es kaum glauben und blickte unvermittelt auf meine Füße. Beruhigt stellte ich fest, meine Schuhe aus einem Linken und einem Rechten bestanden. Allerdings passten sie nicht hundertprozentig, denn die verschiedenen Schuhgrößen waren noch nicht einheitlich festgelegt.
    Interessant war auch, dass man langsam dahinter kam, dass das Schminken und Pudern allergische Reaktionen hervorrufen konnte. Besonders durch die Tatsache, dass man nur gelegentlich das Gesicht, oder sonst einen Körperteil, sparsam mit Wasser benetzte. Man betrachtete den ständigen Juckreiz als normal, und jedermann besaß als einzige Gegenmaßnahme einen formschönen Rückenkratzer.
    Die Ärzte dieser Zeit warnten weiterhin die Frauen vor dem Tragen von zu engen Korsagen. Man hatte festgestellt, dass Frauen aus den unteren Gesellschaftsschichten weniger oft Probleme mit dem Atmen, der Ohnmacht oder Blähungen hatten, während die reichen, stets fest eingeschnürten Damen oft kränkelten.
    Leider hörte im Moment noch fast niemand auf die Warnungen der Ärzte, doch ich bewunderte ihren unermüdlichen Einsatz, der dazu geführt hatte, dass ich nicht in einem engen Korsett und mit eingezwängten Füßen groß werden musste.
     
    Anette hatte sich vor einer Stunde mit Anna ins Wohnzimmer zurückgezogen. Sie wollte durch ein beiläufiges Gespräch herausfinden, wie es um Annas Glauben stand. Ich vermutete, nur der Glaube zu Gott und an den Sinn aller Dinge könnte Anna dazu veranlassen, tröstlicher in die Zukunft zu blicken. Eine Zukunft mit ihrem Kind, das eine starke und stabile Mutter brauchte und verdient hatte. In all unseren Gesprächen hatte ich es nicht geschafft, ihr das klar zu machen. Jetzt wollte Anette es versuchen. Anna ging regelmäßig in die Kirche, und ich hatte sie ein paar Mal begleitet. Der Pfarrer sprach leidenschaftlich über Sünde und Verdammnis, und ich ging deprimierter nach Hause als vorher. Anna dagegen schien Kraft aus der Predigt zu schöpfen.
    Was mich faszinierte war nicht die Tatsache, dass ich nach dem soeben Gehörten aufgrund meines Lotterlebens mit Jack Verdammnis anheim fallen würde, sondern dass die Kirche an der Turmspitze einen langen Draht aufwies. Ich fragte Anna nach dessen Bewandtnis, da ich mir meine Vermutung selbst nicht glaubte.
    „Ein Blitzableiter. Er wurde bereits vor ein paar Jahren vom Lehrer Lambert geschaffen, nachdem die Bornheimer Kirche durch einen Blitzschlag niedergebrannt ist.“
    „Was heißt geschaffen?“ Ich wollte es genauer wissen. „Hat er ihn erfunden oder einfach nur dort angebracht?“
    „Er hat ihn sozusagen erfunden“, erklärte Anna. „Der Mann hat eine Menge guter Einfälle, aber die meisten seiner Neuerungen sind ein bisschen lächerlich.“
    Dieser Irrtum zog sich durch die ganze Menschheitsgeschichte. Ich war erstaunt vom Lehrer Lambert und beeindruckte am Abend meine Freunde durch

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