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Schimmer (German Edition)

Schimmer (German Edition)

Titel: Schimmer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
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verstehen. Will saß auf der Kante seines Sitzes und hielt sich an der Lehne des Vordersitzes fest, als wollte er mir jeden Moment zu Hilfe eilen.  
    Lester ließ den Motor einige Minuten lang am Straßenrand laufen. Ich versuchte mit aller Kraft, Rhondas und Carlenes wüste Beschimpfungen zu überhören. Es machte mich ganz krank, dass Lester solche Worte in seinem Kopf zuließ, und ich schwor mir, dass Ashley Bing, Emma Flint oder wer auch immer niemals eine solche Macht über mich haben dürften. Ich würde es nicht zulassen, dass Lästerer und Hetzer und Leute, die mich kaum kannten, sich einen Weg in meinen Kopf bahnten und sich dort einnisteten.  
    Schließlich wandte Lester sich zu Lill wie ein geprügelter Mann, der um Gnade fleht. »Ich will nur mit ihr quitt sein, Lill. Ich muss Carlene ihren Anteil an den B-Bibeln zahlen und dann bin ich fertig mit ihr, dann gehöre ich dir – das heißt, wenn du mich haben willst.«  
    Lills Lächeln war so breit, dass ihre imposante Erscheinung ganz klein dagegen wirkte. »Natürlich, Lester«, sagte sie, und Lesters Gesicht verwandelte sich. Er sah aus wie ein Mann, der endlich seinen persönlichen Schutzengel gefunden hat.  
    »Dann bin ich ein glücklicher Mann.« Die Stimme erfüllte meinen Kopf.
    Und wenn ich mich nicht täuschte, war es Lesters eigene.  

29. Kapitel
     
    Carlene entpuppte sich als große Frau im Körper einer kleinen Frau. Sie hatte viel Haar, große Zähne, lange große Fingernägel und große Plüschpantoffeln, aber ansonsten war sie hager, hohl und verschrumpelt. Sie sah aus wie eine Hexe, die sich zu Halloween als Filmstar verkleidet hat. Als Lester mit dem großen rosa Bibelbus auf den Wohnwagenpark Tuttle Terrace auffuhr, saß Carlene draußen in einem Liegestuhl. Sie las die Sonntagszeitung und trug nur einen Satinmorgenmantel und knallrosa Lippenstift, der sich in die Falten um ihre Lippen gesetzt hatte, wodurch sie zackig und zerrupft aussahen. Ihre Füße guckten aus den Plüschpantoffeln heraus, und ich sah, dass ihre langen, dicken Zehennägel in derselben Farbe angemalt waren wie ihre Lippen.  
    Als sie den Bus die Straße entlangkommen sah, faltete sie die Zeitung zusammen und verschränkte die Arme. Sie machte sich nicht die Mühe aufzustehen. Ich sah, wie sie uns durch das zerbrochene Fenster ansah, blinzelnd, weil es blendete. Offensichtlich wunderte sie sich darüber, dass Lester nicht allein kam.  
    »Es ist wahrscheinlich b-besser, wenn ihr alle im B-Bus bleibt«, sagte Lester und stand auf. Doch ehe er aussteigen konnte, kam Samson zu mir, er zappelte und wand sich und flüsterte mir etwas ins Ohr. Als Fish zu uns hinsah, verdrehte ich die Augen, dann rief ich Lester, der gerade die Tür öffnete.  
    »Mr Swan, mein kleiner Bruder muss mal zur Toilette«, sagte ich. Fish schlug sich mit der Hand an die Stirn. Bobbi schnaubte und Will kicherte. Lester sah verwirrt und nervös aus, als er sah, wie Samson im Gang stumm auf der Stelle hüppelte.  
    »Du musst ihn mitnehmen, Lester«, sagte Lill, als wären sie schon ein altes Ehepaar. Lester sah noch unglücklicher aus.  
    »Ich geh mit ihm«, sagte Bobbi zur Überraschung aller, stand auf und nahm Samson an die Hand. »Einer muss den Kleinen aus dieser üblen Lage befreien.« Ohne zu zögern, fasste Samson Bobbis Hand und zusammen sausten sie an Lester vorbei und stiegen aus. Unsicher, wie es weitergehen sollte, gingen Fish, Will und ich im Bus zu der Seite, auf der Carlenes Wohnwagen stand, und öffneten vorsichtig die Fenster, um einen besseren Blick auf das Geschehen zu haben. Bobbi führte Samson die Stufen hinunter und blieb vor Carlenes Liegestuhl stehen.  
    »Könnten wir mal bitte die Toilette benutzen?«, fragte Bobbi rundheraus.  
    »Lester!«, brüllte Carlene, ohne auf Bobbi zu achten, erhob sich von ihrem Liegestuhl, ließ die Zeitung fallen und schob die Füße in die Plüschpantoffeln. »Lester, du Vollidiot! Beweg sofort deinen mageren Hintern hierher und sag mir, was hier los ist! Was sind das für Kinder?«  
    Samson trat auf der Stelle und zog Bobbi am Arm. »Bitte, Ma’am?«, sagte Bobbi.  
    Carlene scheuchte Bobbi weg wie eine Fliege und stürzte sich auf Lester, der aus dem Bus stieg. Bobbi nahm die Handbewegung der Frau als Erlaubnis, ob sie nun so gemeint war oder nicht, und verschwand schnell mit Samson im Wohnwagen, um die Toilette zu suchen. Es war mir nicht geheuer, als ich Samson und Bobbi in der Wohnung verschwinden sah

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