Schimmernder Rubin
sind, was wir sind. Und das wäre das Dümmste, was ich je getan habe.«
»Cruz«, flüsterte sie und streckte die Hände nach ihm aus.
»Nein«, sagte er und trat einen Schritt zurück. »Es darf nicht noch einmal passieren, Süße. Ich bin der falsche Mann am falschen Ort zur falschen Zeit. Um dich zu beschützen, muss ich wahrscheinlich Dinge tun, für die du mich hassen wirst. Mach es uns nicht noch schwerer, als es ohnehin schon ist.«
Eine Erkenntnis blitzte in ihr auf: Fremder, Geliebter, Leibwächter... und jetzt Jäger.
Ihre Nackenhaare sträubten sich. Sie hatte gewählt, und dies war das Resultat. Cruz entglitt ihr, und sein dunkler Schatten verwandelte sich in schwarzes Vakuum. Er würde sich nicht davon abhalten lassen, alles zu ihrem Schutz Erforderliche zu tun - weder durch Gefahr noch durch ihren Körper noch durch sonst etwas, was sie sich einfallen ließe.
Sie fröstelte und schlang die Arme um sich.
»Ich werde dich niemals hassen«, verkündete sie leidenschaftlich, doch er antwortete nicht.
Als sie die Augen öffnete, merkte sie, dass sie allein war. Cruz hatte sich in die Nacht zurückgezogen, ohne dass auch nur ein einziges Geräusch seinen Aufbruch verraten hatte.
27
Sie schleppte sich zu der Ledertasche , die sie aus Cambria mitgebracht hatte, nahm eine Schieblehre, eine kleine mechanische Waage, den Rubin und ihren tragbaren Computer heraus. Anschließend kauerte sie sich in einen Sessel, stellte die Waage auf den Tisch und legte den Stein vorsichtig darauf.
Das Dämmerlicht im Raum erschwerte das Ablesen der winzigen Skala, so dass Laurel an der Schnur der Tischlampe zog, deren Schirm aus klaren Kristallprismen bestand. In dem Augenblick, in dem das Licht anging, ergoß sich ein wahrer Regenbogen an Farben über den Tisch, ihre Hand und den Sessel. Jedes Teil schimmerte in einem anderen Ton.
Doch zum ersten Mal fiel Laurel das stumme Schauspiel der Lampe nicht auf. Ebensowenig bemerkte sie, dass Cruz im Türrahmen stand und sie mit einem Blick bedachte, dessen Glühen beinahe mit den Händen greifbar war. Nie zuvor hatte er etwas so Schönes gesehen wie Laurel.
Nur unter Aufbietung seiner gesamten Selbstbeherrschung gelang es ihm, nicht zu ihr zu eilen, um sie zu berühren und das festzuhalten, was ihm auf ewig zu entgleiten bevorstand.
Ich liebe dich.
Laurels Worte verfolgten ihn. Nie zuvor hatte er einen Menschen geliebt. Er war sich noch nicht einmal sicher, was Liebe war, wie sie sich anfühlte oder wie lange sie hielt. Seine Arbeit hatte immer andere betäubende Gedanken in ihm geweckt, und außerdem war er geradezu süchtig nach Adrenalin, der Erregungsdroge von Cops und Agenten jeder Art.
Aber irgendwie war es Laurel gelungen, in seine dunkle Seele vorzudringen, ihn zu sehen, ohne zurückzuschrecken, ihn zu berühren und eine Reihe von Gefühlen in ihm zu wecken, deren Stärke ihn verwirrte und gleichzeitig bezwang: einen ungeahnten Beschützerinstinkt, Zärtlichkeit, Leidenschaft und gar Bewunderung. Sie war verletzlicher und zugleich stärker als jede andere Frau, die ihm jemals begegnet war.
Wie konnte dieser Hurensohn sie nur derart in Gefahr bringen? tobte er stumm. Nie wieder werde ich einer Frau wie ihr begegnen. Und wegen Swann werde ich sie wieder verlieren. Wenn ich Glück habe, schicke ich ihren geliebten Daddy für den Rest seines Lebens in den Knast.
Wenn ich kein Glück habe, muss ich den Vater töten, wenn ich die Tochter retten will. Dann wird Laurel sich nicht einmal mehr an die Worte erinnern wollen, die sie mir gegenüber eben geäußert hat.
Die Gewißheit, Laurel zu verlieren, verfolgte Cruz ebenso wie ihr Eingeständnis ihrer Gefühle für ihn. Ehe er ihr begegnet war, war er allein gewesen, aber nicht einsam.
Nun, da er ihr begegnet war...
Cruz schob diesen Gedanken fort. Wenn er darüber nachdachte, dass er Laurel verlieren würde, könnte er seine Mission vielleicht nicht mehr erfüllen. Es wäre besser, wenn Laurel lebte und frei war und ihn haßte, als wenn sie tot und begraben wäre, nur weil er gezögert hatte, statt auf ihren Feind zu zielen.
So lautlos er gekommen war, trat er wieder in den Flur hinaus und ließ Laurel allein in dem glitzernden Lichtbogen zurück. Er strich durchs Haus und unterzog es abermals dem prüfenden Blick eines Leibwächters.
Das Haus selbst war nicht schwer zu verteidigen. Es besaß eine klare Aufteilung und spärliches Mobiliar, was hieß, dass sich frei von einem Raum in den anderen schießen ließ. Die
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