Schimmernder Rubin
knappen, codeähnlichen Worte von angestrengt hantierenden Sanitätern durch das Telephon. Plötzlich übernahm eine Frau die Leitung.
»Hier spricht die Feuerwehr. Wir haben den Patienten gefunden. Mit wem spreche ich?«
»Mit seiner Tochter. Lebt er noch?«
»Ja«, sagte die Sanitäterin. »Wir bringen ihn auf die Notfallstation der Uniklinik.«
Dann hörte man ein Kommando und einen dringenden Hilferuf an die Zentrale.
Die Frau hängte ein, und Laurel blieb allein zurück. Mühsam kämpfte sie gegen ein Gefühl aufkommender Angst und Panik an. Ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen, die ebenso bitter waren wie jedes Gift.
»Laurel, ich komme rein.«
Die verhaltene Baßstimme gehörte Cruz. Sie drang nicht weiter als bis an Laurels Ohr.
»Dad ist...«
»Ruhe«, zischte Cruz.
Laurel blieb der Rest im Hals stecken. Diesen Tonfall hatte Cruz bisher erst ein einziges Mal gehabt, als die Killer in Cambria geflohen waren und er hatte hören wollen, ob sie vielleicht noch einmal zurückkamen.
»In Ordnung«, sagte er, als er nur noch wenige Zentimeter vor ihr stand. »Was ist mit deinem Vater?«
»Als die Sanitäter kamen, lebte er noch«, flüsterte sie.
Sie versuchte so leise zu sprechen wie Cruz. Aber ihr Hals rasselte vor Anspannung und Furcht und dem verzweifelten Einreden auf ihren Vater, der im Sterben lag.
Cruz setzte zum Sprechen an, doch dann zögerte er und betrachtete sie in einer noch nie dagewesenen Weise.
»Was ist los?« fragte Laurel.
»Du hast in Cambria nicht auf mich geschossen. Würdest du überhaupt jemals auf jemanden schießen, um dein Leben zu retten?« fragte er bohrend.
»Dad hat mir die gleiche Frage gestellt, als er mir die Waffe gab«, sagte Laurel.
»Und was hast du ihm geantwortet?«
»Ja.«
»Bleibst du dabei?«
Sie erschauderte. »Ja.«
»Dann schnapp dir die Pistole und komm mit. Leise.«
Cruz führte Laurel in die Eingangshalle.
»Guck mal raus«, sagte er. »Aber faß nicht an die Fensterläden.«
Laurel rückte vorwärts und sah durch einen schmalen Spalt hinaus. Außer ihren eigenen Tränen sah sie nichts. Es war das erste Mal, dass sie sie überhaupt wahrnahm. Ungeduldig wischte sie sie fort und beugte sich abermals vor.
Es lohnte sich kaum. Alles, was Laurel sah, war ein unglücklicher Nachbar auf der anderen Straßenseite. Er trug ein Hemd und eine Freizeithose. Eine Hundeleine baumelte nutzlos an seiner linken Hand. Nirgends war ein Hund zu sehen.
Der Mann begutachtete die Eingangstür von Laurels Haus, als erwarte er, sein Hund käme jeden Augenblick herausspaziert. Er sah in die Büsche, in die Schatten und in den Hof. Hin und wieder pfiff er leise wie ein Mann, der niemanden stören wollte, aber trotzdem seinen Hund finden musste.
»Charley? Wo bist du? Komm zu Papa, du kleiner schwarzer Bastard. Ich habe einen leckeren Knochen für dich. Hierher, Charley. Hierher. Mama wird uns beide in den Zwinger sperren, wenn du nicht sofort zurückkommst. Hierher, Charley. Hierher, Junge.«
»Ich sehe nur einen Mann, der seinen Hund verloren hat«, sagte Laurel heiser und trat in den Raum zurück. »Ist das verdächtig?«
»Was du da siehst, ist ein Profi bei der Arbeit.«
»Was?«
»Es nennt sich >Aktion verlorener Hund<. Eine klassische Überwachungstechnik. Sie lehren sie an der Akademie des FBI und wahrscheinlich in jeder anderen Agentenschule der Welt.«
»Ist er vom FBI?« fragte Laurel.
»Er kommt mir bekannt vor«, sagte Cruz. »Aber das ist einer der Gründe, weshalb ich das FBI verlassen habe. Irgendwann sahen wir alle gleich aus.«
Laurel lächelte und schnaufte, wie um ein Kichern oder ein Schluchzen zu verbergen.
»Ich nehme an, er könnte vom FBI sein«, fuhr Cruz fort. »Aber ich mache lieber keinen ernsten Fehler. Ziel mit deiner Waffe auf ihn.«
Verwirrt befolgte Laurel diesen Befehl. In dem schwachen Licht, das aus der Einfahrt kam, wirkten ihre Bewegungen geschmeidig und sicher. Die Pistole in ihrer Hand schwankte kein einziges Mal.
Cruz atmete erleichtert auf.
»Du hast die eisernen Nerven deines Daddys geerbt«, sagte er.
Er beugte sich vor, öffnete den schwarzen Aluminiumkoffer, den er immer mitgeschleppt hatte, und griff hinein. Dann zog er die Uzi heraus, überprüfte sie und begann, seine Jacke auszuziehen.
Schweigend beobachtete Laurel, wie er eine Art Halfter aus dem Koffer nahm, es anzog und als Stütze für die grausame Waffe nahm. Dann zog er seine leichte Jacke wieder an, ließ sie allerdings offen.
»Was ist
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