Schimmernder Rubin
überirdischen Schimmer.
Einen verrückten Augenblick lang fürchtete Laurel, dass sie laut loslachen würde. Samuel Archer war der Chefkurator für osteuropäische und zentralasiatische Kunst des New Yorker Metropolitan-Museums. Er war ein alter Freund der Familie, ein Protegé ihrer Mutter, die zu dem Schluss gekommen war, dass er mehr Talent zum Erwerb von Kunstgegenständen besaß als zu deren Erschaffung.
Meistens liebte Laurel Archer als die kleine fleischfressende Pflanze, die er war. Aber nicht, wenn er derart von oben herab zu ihr sprach.
»Wie kannst du nur so sicher sein?« fragte sie.
»Mein liebes kleines Mädchen«, seufzte Archer abgrundtief. »Hat dir jemals jemand etwas vom Leben eines Künstlers erzählt?«
»Du. Schon oft.«
»Dann hast du offenbar nicht zugehört«, erwiderte er. »Deine eigenen Arbeiten fangen langsam an, die Sammler zu interessieren. Also lernst du am besten, wie das Spiel des Kunsterwerbs läuft.«
Laurel unterdrückte ein Stöhnen, Archer hatte recht. Zu schade, dass er das besser wusste als jeder andere.
»Private Sammler und Kuratoren sind wie Spinnen«, dozierte Archer. »Jeder von ihnen baut sorgsam ein Netz, in dem er versucht gute Stücke einzufangen. Zufällig ist mein Netz das beste der Welt. Glaube mir, wenn ein gutes Stück von Fabergé irgendwo erhältlich wäre, wüsste ich es.«
»Ja, aber...«
Archer fuhr unbeirrt fort. »In Osteuropa geht es im Augenblick heiß her. In der Tat wird in Kürze in deiner Gegend eine phantastische, wirklich phantastische russische Ausstellung eröffnet.«
»Wo denn?«
»In Damon Hudsons grässlichem neuen Museum. Jeder, der etwas auf sich hielt, wollte die >Glanzstücke aus Russland<. Wir haben eine Truhe voll Gold dafür geboten, aber Damon bot mehr.«
»Warum?«
»Wir hätten damit drei Truhen voll Gold verdient, darum. Die Leute haben seit der ermüdenden kleinen Revolution dort drüben keine gute russische Kunst mehr gesehen. Sie hätten um einen Platz in der Schlange an der Kasse gekämpft, auch wenn sie zwanzig Mäuse für den Eintritt hätten berappen müssen.«
Laurel intonierte einen gedehnten Zweifel.
»Baby«, sagte Archer gekränkt. »Du solltest wirklich mal den Kopf von deiner Werkbank heben und dir die Geschäfte ansehen, die in den Museen und auf dem Kunstmarkt ablaufen. Die Kronjuwelen von England sind vom künstlerischen Standpunkt her vollkommen unbedeutend, aber die Leute drängen sich den ganzen Tag lang vor den Schaukästen, um sie zu sehen. Täglich, und das seit Jahren. dasselbe gilt für die Mona Lisa. Diese Dinge regen die Phantasie der Leute an, so dass die Bewunderer scharenweise herbeiströmen, auch aus Neugier. Der künstlerische Wert der Sachen an sich ist dabei unerheblich.«
»Regt auch Fabergé die Phantasie der Leute an?« fragte Laurel.
»Worauf du deinen neuesten maschinell geschliffenen Diamanten verwetten kannst.«
In der Leitung summte es leise, während Laurel eilig nachdachte. Sie versuchte, Archers schonungslose Wahrheit mit der ebenfalls unumstößlichen Realität des vor ihr liegenden Eis in Einklang zu bringen.
»Hallo?« fragte Archer nach einem Augenblick. »Bist du noch da?«
»Ja...«
Laureis Zerstreutheit weckte das Interesse des Kurators. Als er erneut sprach, war alle Überheblichkeit aus seinem Ton gewichen.
»Laurel, Süße, du verheimlichst deinem Onkel Sammy doch wohl nichts?« köderte er sie.
Laurel errötete. Sie war eine schlechte Lügnerin, vor allem, wenn sie mit Freunden oder Familienangehörigen sprach. Obgleich Archer kein Blutsverwandter war, hatte er doch einen Großteil ihrer Kindheit mit ihr verbracht. Er hatte Ariel Swann ebenso geliebt wie sie.
Aber Jamie Swann hatte er gehasst. Das war der Grund, weshalb Laurel bezüglich des Eis Vorsicht walten ließ. Archer würde dem Mann, der Ariel zum Weinen gebracht hatte, mit Begeisterung an die Gurgel fahren.
Wie immer gewann Jamie Swann. Tief im Innern, tief unter der talentierten Schmuckdesignerin, war sie immer noch das kleine Mädchen, das glaubte, wenn sie nur lange genug brav wäre, würde sich ihr Daddy freuen und zurückkommen, um für immer bei ihr zu bleiben.
»Was soll ich schon über Fabergé wissen, was du nicht weißt?« fragte sie. »Ich wusste ja noch nicht einmal, dass diese Ausstellung vor der Tür steht. Ich hänge hier in der Einöde fest und versuche meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Seit Wochen war ich nicht mehr in der Stadt.«
»Erspar dir dein Theater«, sagte
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