Schimmernder Rubin
Archer beißend. »Du hast schließlich ein Telephon, nicht wahr? Zum Beispiel das, dessen Hörer du im Augenblick in Händen hältst.«
»Am besten verzichten wir beide auf das Manöver.«
»Welches Manöver?«
»Es ist völlig unangebracht, mir gegenüber den Obersnob aus Manhattan zu markieren«, erwiderte sie.
Archer lachte fröhlich auf. Laurel war einer der wenigen Menschen auf der Welt, der es mit seinem Sarkasmus aufzunehmen verstand.
»Ach, Baby«, seufzte er. »Wie schade, dass du kein Junge geworden bist. Wir wären ein gutes Paar...«
Lachend schüttelte Laurel den Kopf. Archers rasiermesserscharfer Verstand und seine ebenso berückende Offenheit waren zwei der Gründe, weshalb sie ihn liebte. Die anderen Gründe waren komplex, sie hingen mit ihrer Kindheit und ihrer Mutter zusammen, die sie und Archer vergöttert - und verloren - hatten.
»Also erzähl Onkel Sammy, was über ein verlorenes imperiales Ei an dein Ohr gedrungen ist«, drängte er.
»Ganz einfach. Nichts.«
»Denk nach. Vielleicht ist es etwas, was jemand von den Hudson-Leuten aufgeschnappt hat. Als ich letztes Jahr in der Eremitage war, habe ich den Kurator kennengelernt, einen wahrhaft schönen Mann namens Nowikow. Ein echtes Kunstwerk, der Knabe. Aber wie ich hörte, auch ein ziemlicher Widerling.«
»Kenn ich nicht.«
»Auch gut. Er ist ein bisschen zu groß für dich. Aber es besteht immer die Möglichkeit, dass die Russen sich einfallen lassen, ein derartiges Kunstwerk unter den Hammer zu bringen.«
»Dass sie Nowikow verkaufen?« fragte Laurel ungläubig.
»Nein. Fabergé-Eier. Obwohl ich auf jeden Fall mitbieten würde, wenn sie den Mann versteigern würden.«
Laurel blinzelte und versuchte, dem Zickzackkurs von Archers Erzählung zu folgen.
»Jaaa«, überlegte er. »Es ist sogar möglich. Nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich. Der gesamte Ostblock braucht verzweifelt Bargeld. Sie verkaufen einfach alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Ich nehme an, sie würden sogar Sibirien verkaufen, wenn der Preis stimmt, obwohl ich nicht weiß, was man mit einem Kühlschrank soll, der fünfmal so groß ist wie Texas.«
Laurel machte ein Geräusch, das verriet, dass sie zuhörte. Sie spürte geradezu, wie Archers Hirn zur Hochform auflief, während er laut nachdachte.
»Vor ein paar Wochen gab es ein Gerücht, ein japanischer Sammler hätte was von Fabergé gekauft«, sagte er. »Natürlich war die Herkunft des Stücks äußerst dubios.«
»Ein kaiserliches Ei?«
»Wohl kaum. Wenn es eines gewesen wäre, hätte ich davon gehört. Obwohl... vielleicht war es eins von den kleineren. Von denen gibt es Hunderte...«
Laurel schnalzte hin und wieder mit der Zunge, aber sie ließ Archers eifrigen Gedankengängen freien Lauf. Sie war dankbar, dass er keine Informationen mehr von ihr wollte, die sie lieber vor ihm verbarg. So lange, bis sie wusste, welche Verbindung zwischen ihrem Vater und dem geheimnisvollen Auftauchen des Eis an ihrer Haustür bestand.
Während sie zuhörte, glitt sie von ihrem Arbeitshocker, streckte sich und versuchte die Anspannung zwischen ihren Schulterblättern zu lösen. Sie hob die lange Telephonschnur, damit sie keine der juwelenbesetzten, übergroßen Schachfiguren umstieß, die sie auf lose Steine hin überprüfte, ging ans Fenster und blickte zum glühenden Abendhimmel hinauf.
Aber als sie die Augen schloss, sah sie nicht die Sonne vor sich, sondern das mysteriöse scharlachrote Ei.
Archer war der erste gewesen, den sie angerufen hatte, aber zunächst hatte sie ihn nicht erreicht. Während des Wartens auf seinen Rückruf hatte sie mit verschiedenen Schmuck- und Kunsthändlern sowie einem Kunsthistoriker gesprochen. Das hieß, sie hatten gesprochen und Laurel hatte zugehört.
Und sie hatte nichts über das Kleinod verlauten lassen, das vor ihr lag.
Alle Experten stimmten überein: Kaiserliche Fabergé-Eier waren unerschwinglich, und darüber hinaus äußerst rar.
Der Kunsthistoriker von Laurcls Alma Mater, dem Pratt Institute, hatte genauere Angaben gemacht, und beunruhigendere. Jetzt hatte sie seine Stimme im Ohr und nicht die von Archer.
Miss Swann, wenn jemand ein kaiserliches Fabergé-Ei zum Verkauf anbietet, dann ist es entweder nicht echt oder gestohlen. Auf jeden Fall würde ich nicht auf das Angebot eingehen. Die Kunst ist wie jedes andere menschliche Bestreben: Sie kann schön, aber auch sehr, sehr gefährlich sein.
Der Anruf bei Archer hatte die Warnung noch verstärkt. Bereits
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