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Schimmernder Rubin

Schimmernder Rubin

Titel: Schimmernder Rubin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Maxwell
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Erde vor einem Jahr, vor einem Jahrhundert oder bereits in einem versunkenen Zeitalter aufgetan hatte.
    Nach zwanzig Hieben machte Cruz eine Pause, um sich mit einem Handtuch die Stirn abzuwischen. Sein kurzes dunkelbraunes Haar glänzte fast schwarz vor Schweiß, der auch den bloßen Rücken hinablief. Als er sein Tagwerk wiederaufnahm, schien die Sonne wie eine Wärmelampe auf seine muskulösen, gebräunten Schultern herab. Obgleich Cruz mit seinen knapp ein Meter achtzig kein Riese war, war er kräftig gebaut.
    Nach einer Weile stellte er die Hacke ab, streckte sich, wischte sich den Schweiß aus den Augen und griff nach einer Schaufel in der Nähe. Mit den geschmeidigen Bewegungen eines Mannes, der von Natur aus geschickt und körperlich in Bestform war, ging er den Schotterberg an und warf mit jedem Schwung eine Schaufel voll hinter sich.
    Während Cruz sich der verlockenden Spalte näherte, gewahrte er weder die Hitze und Kieswolken noch die langsame Ermüdung seiner Schultern. Er war es gewohnt, auf Wohlbefinden zu verzichten, wenn es um die Jagd ging, ob er nun wissenschaftlichen Tatsachen oder internationalen Verbrechern auf der Spur war.
    Trotz der Hitze, trotz der Schmerzen in Rücken und Armen, trotz des widerspenstigen Felsens grub Cruz ohne Pause auf der Suche nach einem Körnchen geologischer Wahrheit, die dem Altertum angehörte, lange bevor der Mensch auf dem Plan erschienen war.
    Er genoss jede Sekunde dieser Jagd. Für ihn waren die Verwerfungen in der Erde ebenso faszinierend wie die Abgründe, die es in der menschlichen Seele gab. Im Augenblick suchte er einen kleineren Bruch aufzuspüren, der sich auf einer Strecke von wenigen Metern in einer Felswand gezeigt hatte, ehe er unter dem Schutthaufen im Erdreich verschwand.
    Trotz ihrer relativ unbedeutenden Größe interessierte diese Verwerfung Cruz, weil sie an der falschen Stelle saß. Auf der anderen Seite des namenlosen flachen Senkungsgrabens südwestlich der Salton Sea gab es Dutzende von Brüchen. Sie alle waren Ausläufer der berühmten Sankt-Andreas-Spalte.
    Aber der Bruch, über dem Cruz sich schwitzend verausgabte, war weit und breit der einzige. Er lag in einem sonnendurchfluteten Cañon, der in die Santa-Rosa-Berge schnitt, und war mehrere Meilen von sämtlichen anderen Brüchen entfernt. Obgleich man ihn kaum ausmachen konnte, gab der isolierte Spalt einen Hinweis auf neue Aktivitäten unter der rissigen Oberfläche des Landes.
    Wie ein Hund auf einen frischen Knochen hatte sich Cruz auf diese Verwerfung gestürzt. Sein Hobby und seine Leidenschaft war es, Zeichen neuer seismischer Aktivitäten ausfindig zu machen, Spuren von Rissen oder Druck. Er glaubte, dass Verwerfungen, anders als Menschen im allgemeinen und Frauen im besonderen, von jedem verstanden werden konnten, der bereit war, genug Schweiß und Verstand zu investieren.
    Und er war mehr als bereit, draußen in der Wüste veränderte sich die Realität. Es gab keine Uhren. Keine Verzweiflung. Keine Bruchteile von Sekunden, in denen er entscheiden musste, ob er töten oder leben wollte oder das Feuer zurückhielt und starb. Keine dummdreisten Medienspektakel, die morgens Werbekampagnen mit Kampfgetümmel und mittags Aufrufe gegen Gewalt vermarkteten.
    In der Wüste gab es keine Zeitungen. Es gab nichts außer den anonymen Spuren, die nach kurzer Zeit versandeten. In der Wüste wurden keine Anzeigen verkauft und keine Leitartikel erstellt. Dafür bestand kein Bedarf. Die Überlebenden hinterließen Spuren, und die Verlierer ließen ihre Knochen zurück, klare Verhältnisse.
    Die einzige Art der Zeitmessung, die in der Wüste Bedeutung besaß, war das langsame Schrumpfen der Schatten, wenn der Mittag nahte, gefolgt von einer ebenso langsamen Ausdehnung der Schatten, bis die Dunkelheit in jede Spalte und Ritze fiel und das Land mit ihrer kühlen Schwärze überflutete.
    Cruz liebte die Nacht, wie er den strahlenden Sonnenschein genoss. Er liebte es, in der Wüste zu stehen und ihre Stille in seine Seele aufzunehmen, bis in ihm ein Frieden aufkam, der in seiner erfrischenden Reinheit einem Bergbach ähnelte. Nur die Wüste hatte ihn davon abgehalten, dem Wahnsinn anheimzufallen, als jede Institution, an die er je geglaubt hatte, und jeder Mensch, auf den er je gezählt hatte, ihn verlassen und von ihm gefordert hatte, sich selbst so abzuurteilen, wie es die Allgemeinheit tat.
    Beinahe wäre es ihnen geglückt.
    Cruz hatte lange gebraucht, um sich vom Rande des Abgrunds

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