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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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unten aus dem Bild. Wird wieder
hereingeholt. Schwarze Hand mit verkrümmten Fingern auf rotem Gesicht.
    Noch einer
der Gäste stand auf und verließ wortlos das Zimmer.
    Ein alter
Mann bekreuzigt sich gelassen in Richtung Kamera und sagt: Sie werden mich
gleich töten, und was ich noch sagen wollte: Ich liebe euch sehr, dich, Shenja,
und dich, Aljoscha, und dich, Witenka! Dann wird ihm der Kopf abgeschlagen. Die
anschließende Sekunde wird nicht der Kopf gezeigt, sondern der Hals in
Großaufnahme, er ist dick, mindestens Größe 45 - und zieht sich plötzlich zur
Faust zusammen, die Luftröhre springt hervor, und es folgt ein Schwall
schwarzes Blut.
    Sie saßen
nur noch zu zweit vor dem Fernseher, der Dolmetsch und der Zahntechniker. Saßen
da und sahen zu, wie eine Frau vergewaltigt wird, die die ganze Zeit schreit:
»Tut dem Kind nichts! Tut nur dem Kind nichts!« Mit dem Feuerzeug werden die
Haare zwischen ihren Beinen abgesengt, dann wird ihr eine Glühbirne eingeführt
und der Kolben zerdrückt. Die Frau kreischt, ächzt, krümmt sich am Boden. Blut
strömt. Ein bärtiger Mann mit Sonnenbrille schiebt ihr grinsend den
Pistolenlauf in den Anus und drückt ab.
    »Das
reicht«, sagte der Zahntechniker. »Mach das aus!«
    Der
Dolmetsch schaltete den Fernseher ab und ging in die Küche Tee kochen. Die
Gäste verzogen sich recht bald.
    Isolde
ging in dieser Nacht wieder ins Kinderzimmer schlafen. Anstelle von »Gute
Nacht« sagte sie: »Ich hasse dich.«
     
    26. August
1915. Mittwoch
    Heute auf
dem Skating Rink machte mich mein Bruder mit seinem neuen Freund, dem
Studenten Alexej Kolobow, bekannt, der mit der ganzen Universität aus Warschau
evakuiert worden ist. Ljalja und ich drehten gerade ein paar Runden, da sah
ich, wie mir von Weitem jemand winkte, von einem der kleinen Tische, die um die
Bahn herumstehen. Ich fuhr an die Bande, Sascha stellte uns einander vor. Das
Orchester spielte so laut, dass man schreien musste. Er hat fantastische blaue
Augen, eine schöne schmale Hand, und es war lustig, wie er errötete, als er sie
mir gab. Ich schlug ihm vor, mit auf die Piste zu kommen, er lehnte ab. Er kann
nicht Rollschuh laufen. Es wurde schnell unbehaglich und ein bisschen
langweilig mit den beiden. Mir fiel nicht ein, worüber wir reden sollten.
Langweilig ist wohl nicht das rechte Wort, es war eher beunruhigend irgendwie.
Ich wollte schleunigst flüchten, mich verkriechen. Bin wieder in die Bahnmitte
gedüst, mitten ins Gewühle.
    Und jetzt
beim Schreiben frage ich mich, was da eigentlich in mich gefahren ist.
Vielleicht, vielleicht...
     
    27. August
1915. Donnerstag
    Die
Martjanows sind zurück. Bin Shenja begegnet. Frage mich, was ich an ihm finden
konnte.
    Papa kam
mit der Landkarte, und wir machten Kartenschau. An der Front sieht es immer
schlechter aus - Polen ist verloren, ganz Litauen und Weißrussland. Papa und
Sascha verfolgen den Rückzug anhand der Karte von Tag zu Tag. Rostow ist von
Flüchtlingen überschwemmt.
    Nachts kam
mir Shenja in den Sinn, ich musste wieder daran denken, wie er mir den Versuch
zeigen wollte, bei dem der Magnet durch ein Blatt Papier hindurch Eisenspäne zu
einer symmetrischen Zeichnung ordnet, und ich ihm sagte, dass ich ihn nicht
mehr liebe - wie er dann dastand: elend, deprimiert, hilflos, mit dem Magnet
und dem Blatt Papier in Händen.

Mag sein,
ich bin ein schlechter Mensch. Aber er tut mir nicht im Geringsten leid. Besser
gesagt, er tut mir natürlich leid, aber dieses Mitleid lässt ihn nur noch
kläglicher erscheinen.
    In Alexej
bin ich nicht verliebt. Das merke ich. Das weiß ich.
     
    29. August
1915. Samstag
    Nach den
Ferien trudeln alle wieder ein und erzählen einander ihre Sommerabenteuer -
größtenteils erfundene, nehme ich an.
    Alle
staunen wir über Mischka. Im Sommer hat sie einen jungen Juristen
kennengelernt, seine Mutter hatte eine Datscha in der Nachbarschaft gemietet.
Er erklärte ihr, dass er sie liebe. Nächstes Jahr, nach Abschluss der
Universität, werde er sie heiraten. Tags daraufkam seine Mutter an, eine
stolze, respektable Frau, und fiel vor ihr - vor Mischka! - auf die Knie.
Flehte sie an, ihrem Sohn einen Korb zu geben. Beschwor sie: Sie seien doch
beide noch jung und passten sowieso nicht zueinander, und Mischka würde sich in
ihren Kreisen bestimmt nicht wohlfühlen. Und er müsste sich ihrer genieren und
unglücklich sein. Zuletzt teilte sie mit, sie seien tief verschuldet, und ihm
sei bereits eine Braut versprochen, die reich und schön

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