Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
Vom Netzwerk:
Herr
im Himmel! Mitspielen? Ich? Und das auch noch mit Aljoscha? Ich sterbe vor
Glück! Was denn aufgeführt werden soll, habe ich gefragt. Es steht noch nicht
fest. Kostrow wird der Regisseur sein, der am Studio des Künstlertheaters
gelernt hat.
    So sieht's
aus. Fehlt nicht mehr viel, und ich bin Schauspielerin!
    Wahrscheinlich
sollte ich mich dafür schämen, doch es drängt mich, auf der Bühne zu stehen, im
Zentrum der Aufmerksamkeit, ich möchte Applaus bekommen, möchte die Wellen der
Zuneigung und Begeisterung spüren, wie sie mir aus dem Saal entgegenschlagen.
Das ist töricht, gewiss, aber ich kann nichts dagegen tun.
    Außer der
Frauenakademie ist auch das Fraueninstitut für Medizin aus Warschau hierher
evakuiert worden. Tala und Ljalja wollen sich dort anmelden. Sie möchten, dass
ich mitkomme.
    Aber nein,
ich kenne meinen Weg. Ich werde singen. Ich will es, und nichts wird mich daran
hindern - kein Krieg und kein Erdbeben, nicht mal die Sintflut! Wie viele Jahre
habe ich auf den Moment gewartet, die Gelegenheit, diese Welt für mich zu
erobern! Und nun? Soll ich von mir aus verzichten? O nein, in diesem Leben
werde ich singen und nicht aufs nächste damit warten!
    Oder ans
Theater gehen.
    Was bin
ich glücklich! Mein Aljoschenka!
     
    17.
September 1915. Donnerstag
    Heute
hatten wir Zoologie. R. R. brachte ein Skelett mit in den Unterricht - unsere
zarten Mägdelein kreischten vor Schreck, und als wären sie damit zu beruhigen,
verkündete der Lehrer, es handele sich um das Skelett unseres Hausmeisters
dazumal am Bilinskaja-Gymnasium, der als alter Tolstoianer seinen Körper der
Bildung und Wissenschaft vermacht habe. Ich wusste nicht mal, dass er gestorben
ist. Nach dem Umzug des Gymnasiums war er irgendwie verschwunden, es hieß, er
sei nach Nowotscherkassk zu seiner Schwester gezogen.
    Der Herr
schenke seiner Seele Ruh. Dem Leib ist ja doch keine beschieden.
    Im Profil
erinnert R. R. an ein Nagetier. Ziemlich widerlich. Widerlicher noch als
Sabugski - und auch er hält uns alle a priori für Schwachköpfe. In der ersten
Stunde führte er einen Versuch vor. Es ging darum, dass nicht der liebe Gott
das Sonnensystem erschaffen hat, sondern - schaut her... - und er rührte mit
dem Teelöffel in einem Wasserglas, in dem sich ein Tropfen Fett befand. Von der
geschwinden Drehung wurde der große Tropfen gesprengt und teilte sich in
mehrere kleine - ein anschauliches Bild für die Entstehung des Sonnensystems
mit den Planeten. »Alles klar?« - »Ja.« - »Noch Fragen?« - »Nein.« - Da wurde
er wütend. »Wer hat damals den Löffel gerührt, hättet ihr fragen müssen, ihr
Neunmalklugen!«
    »Ihr Neunmalklugen«,
sagt er nur, um das Wort Hornochsen zu vermeiden.
    Es heißt,
die Direktorin wäre in ihn verliebt.
    Shenja ist
wirklich noch ein richtiges Kind. Er sah mich auf der Straße und kam an, wollte
etwas sagen, stand dann aber nur stumm vor mir und drehte hilflos seine
Gymnasiastenmütze in den Händen.
    Alexej
dagegen - wie erwachsen, klug und originell er doch ist. Wie belesen. Was er
alles weiß! Man erfährt von ihm so viel Interessantes. Zum Beispiel weiß ich
jetzt, dass das Theaterspz'e/en eine Idee der Franzosen war, während es im
Theater der alten Griechen hieß: ago, das heißt
ich handle, lebe. Von daher auch das Wort Agonie.
    So ist es.
Theater ist für mich kein Spiel, es ist das Leben - und der Tod.
    Ich kann
nicht einschlafen. Stecke die Nase ins Kissen und sehe ihn lächeln und wie er
mich küsst. Heute fiel ihm eine Wimper ins Auge. Ich leckte sie ihm mit der
Zungenspitze heraus.
     
    19.
September 1915. Samstag
    Nun ist es
beschlossen: Wir bringen den Revisor! Ich spiele
die Marja Antonowna.
    Kostrow
trägt die Nase allerdings ziemlich hoch und verlangt von uns, seine Ratschläge
zu befolgen wie Gottes Gebote. Als wären wir hier am Künstlertheater und er
Stanislawski. Andererseits ist er wirklich klug und eine ausgesprochene
Begabung. Und dass wir das alles so ernst nehmen, gefällt mir.
    Er ist ein
Künstler, wie er im Buche steht. Weiß alles über das Theater. Als ihm einmal
zufällig eine Seite aus dem Textbuch rutschte und zu Boden fiel, hat er sich
sofort draufgesetzt. Das sei ein alter Schauspielerglaube, erklärte er.
Versäumt man es, sich auf ein heruntergefallenes Textblatt zu setzen, wird die
Rolle ein Reinfall.
    Tala nimmt
es mir übel, dass ich keine Zeit mehr habe, mit ihr ins Lazarett zu gehen. Oder
ist es wegen Shenja? Sie liebt ihren Bruder so

Weitere Kostenlose Bücher