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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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Liebe kennt keinen
Eigennutz und würde dem anderen nie ein Leid wünschen. Doch dann in einer
schlaflosen Nacht fiel mir ein, wie wir einmal zu dritt - Tala, Ljalja und ich
- bei Tala zu Hause saßen und Shenja von Ljalja gebeten wurde, ihr irgendeine
Aufgabe zu erklären, worauf die beiden sich in seinem Zimmer einschlossen...
Es läuft wohl doch auf den Tiger hinaus.
     
    Mein
hochwertester Nabuccosaurus!
    Nichts
Neues von Euch - nur das eine Kärtchen. Dabei schicke ich Euch jeden zweiten
Tag meine römischen Ansichten. Na macht nichts, vergesst es, alles ist gut.
    Jene Karte
übrigens, o Wunder, ist in null Komma nichts hier eingeschwebt.
    Ich frage
mich, wann dieses mein Sendschreiben wohl in Eure Hände gelangt?
    Solche
Briefe brauchen oft sehr lange, zumal wenn man sie gar nicht abschickt.
    Unabgeschickte
Briefe kommen sicherer an.
    Unabgeschickte
Briefe haben die Eigenart, die Zeit zu durchstoßen. Ohne alle Marken und
Stempel sind sie ruck, zuck in Euren Händen. Über viele Sommer und Winter
hinweg lässt es sich vom Wetter reden - ich jetzt und hier, Ihr ebenfalls jetzt
und hier. Wie sieht es aus bei Euch? Hat sich das Universum ausgedehnt? Und
welcher Wochentag ist? Welche Hemisphäre draußen vor dem Fenster?
    Vielleicht
habt Ihr ja selbst schon Familie, ein Kind. Ist es ein Sohn?
    Ich bin
mir sicher, Ihr werdet ihm eines Tages den Zaubertrick zeigen, den Ihr von mir
habt, und ich habe ihn von meinem Ex-U-Boot-Matrosen. Ich sehe uns noch vor
mir, als wäre es jetzt: Wir gehen am Sonntag zum Haareschneiden, ich flenne ein
bisschen herum, weil ich Angst vor der Haarschneidemaschine habe, er zieht mich
an der Hand hinter sich her, und auf einmal sagt er: Ein Zaubertrick, sieh her!
Und das Wunder geschieht. Vor meinen Augen, in Blitzesschnelle, wächst mein
Vater zum Riesen. Nimmt die Straßenbahn an der Haltestelle von den Gleisen,
stellt sie auf seine Handfläche und streckt sie mir hin.
    Kein sonst
wie bemerkenswertes Kunststück, könnte man meinen, doch ich denke, auch Euer
Sohn wird es eines Tages seinem Kind vorführen. Wird zum Riesen werden und ihm
die Straßenbahn, das Haus oder den Berg hinhalten auf der flachen Hand.
    Und
vielleicht ist das ja schon der ganze Trick. Wochen und Monate vergingen, in
denen der Dolmetsch manchmal, wenn Isolde nicht zu Hause war, ihren Computer
einschaltete (inzwischen hatten sie jeder einen eigenen Laptop) und die neuen
Einträge las.
    Dabei
fühlte der Dolmetsch sich wie ein Dieb.
    Und er war
ja auch einer.
    Manchmal
trug sie einfach nur Bruchstücke aus ihrem Vorleben ohne den Dolmetsch ein.
Vom Italienurlaub zum Beispiel.
    Und weißt
du noch, unser Streit damals in Pisa? Ich sprang aus dem Auto und knallte die
Tür zu. In der Hoffnung, sie ginge kaputt. Du fuhrst los, wutentbrannt,
stinksauer, ließest mich stehen. Dort wurde gerade der Rasen gemäht, es roch
nach frisch geschnittenem Gras und Benzin. Auf dem Platz standen überall
Touristen mit ausgestreckten Armen, die Hände wie in die Luft gestemmt,
Fotopose: den Turm vor dem Umfallen bewahrend. Ich ging in die Kirche und
setzte mich auf eine Bank, da ich sowieso nicht wusste wohin. Hier war es kühl,
während draußen Hitze herrschte. Ich schloss die Augen - das Kreischen der
Rasenmäher drang durch das offen stehende Portal, und selbst der scharfe
Geruch von frisch gemähtem Gras. Ich saß da und dachte an dich und daran, wie
sehr ich dich liebe. Und dass ich so sitzen und warten würde, bis du kommst.
Ich wusste, du würdest wiederkommen und mich finden.
    In ihrem
Tagebuch las der Dolmetsch nur, wenn sie Streit miteinander hatten. Und das
geschah jetzt immer öfter.
    Der
Dolmetsch war sich darüber im Klaren, dass Isolde nachprüfen konnte, wann die
Datei zum letzten Mal geöffnet worden war, doch er traute sich nicht, einen
Programmierer aus seiner Bekanntschaft zu fragen, wie sich das umgehen ließ.
    Merkwürdig
zu lesen außerdem, dass Isolde, wenn sie mit dem Dolmetsch schlief, sich
vorstellte, es wäre Tristan, der sie umarmte.
    Es war
also Tristan und gar nicht der Dolmetsch, der sie nachts küsste und in sie
eindrang.
    Einmal kam
Isolde nach Hause, während der Dieb an ihrem Computer saß, doch er schaffte es
noch, alles auszuschalten, weil sie als Erstes auf die Toilette ging.
    Einmal las
der Dolmetsch einen neuen Eintrag, in dem stand, ihr Sohn ähnele Tristan auf
seinen Kinderbildern.
    Darauf
fing der Dolmetsch an, in Isoldes Regalen, ihren Fotoalben und -schachteln zu
wühlen, um diese alten

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