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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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lauernde Gefahr, zum Spielball und Opfer des
Bösen zu werden - als läge auf Ihrem Geschlecht wie auf allen übrigen ein
unausrottbarer Fluch, und wie einst Ihre Großmütter und Großväter gelitten, so
leidet auch die heutige Generation, und so werden leiden die noch Ungeborenen
bis ins siebte Glied und gelegentlich darüber hinaus. Als Corpora Delicti
brachten Sie bei: einen durch die Lochzange eines unausgeschlafenen
Kontrolleurs entwerteten Fahrschein für die Strecke Romanshorn-Kreuzlingen,
eine Seite aus einem Schulheft mit irgendwelchen Krikelkrakeln darauf und einen
bis zur Fadenscheinigkeit abgetragenen Körper. Aber der Reihe nach. Fürs
tägliche Brot - Sie hatten ja Familie und die alte Mutter am Hals und eine
Schwester, die ewig nicht unter die Haube kam - verdingten Sie sich als
Leibwächter bei einem Journalisten mit florierender TV-Show, einem cleveren
Giftzwerg, den die Leute jedoch vergötterten, da er in ihre Hütten und Paläste
einen Funken Licht und Hoffnung brachte. Dem Mann war, Gott weiß woher,
brisantes Material über den Ursprung des Bösen in die Hände gespielt worden. Es
ging um eine Nadel. Die Nadel war in einem Ei verborgen, das Ei in einer Ente,
die Ente in einem Hasen, der Hase in noch irgendwem, und alles zusammengenommen
steckte in einem Diplomatenkoffer. Und der Plan des furchtlosen Journalisten
war es, den Koffer vor laufender Kamera auszupacken, die Nadelspitze
abzubrechen und das Böse zu vernichten. Die Mächtigen dieser Welt (das Böse
denkt ja immer, dass es das Gute sei und das Gute demzufolge das Böse) sahen
dem Treiben natürlich nicht tatenlos zu. Unser Held bekam anonyme Drohbriefe,
die er vor aller Welt verlas und anschließend in kleine Schnipsel zerriss,
womit er den unsichtbaren, doch allgegenwärtigen Feinden seine Verachtung
demonstrierte. Und eines Abends im Schneetreiben, Sie hatten sich gerade bis
zum nächsten Morgen von ihm verabschiedet, bestieg er sein Auto, das wie in
einem Futteral aus nassem Schnee steckte, mit ihm seine neue Frau, von der
alten hatte er sich - ein halbes Jahr vor diesem breiigen Matsch, den die
Scheibenwischer von seiner Windschutzscheibe schoben - scheiden lassen, und Sie
dachten noch in dem Moment: Den sehe ich nun nie wieder, doch Ihre Gedanken gingen
keinen etwas an, und das war im Übrigen schon immer so gewesen. Die beiden
saßen im Auto, hatten die Heizung eingeschaltet und wünschten sich, während es
drinnen langsam warm wurde, glücklich zu sein und lange zu leben und gemeinsam,
möglichst am selben Tag und zur selben Minute, zu sterben. Vergiss doch die
Wahrheit, sagte sie, wozu brauchen wir die, Slawik, Liebster, ich habe Angst um
dich und um mich. Ich flehe dich an, lass die Finger davon! Er hatte die
Antwort schon auf den Lippen, da flog das Auto in die Luft. Die Ermittler
gingen von einem Versehen aus, man habe den Sprengstoff wohl einfach ins
falsche Auto gepackt; also wurden die Personalien sämtlicher Besitzer
eingeschneiter BMWs eruiert, die ihre Wagen an diesem Matschabend vor dem
Fernsehzentrum Ostankino abgestellt hatten, wo unter jeder Parkplatzlaterne
flufnge Schneepyramiden gewachsen waren. Auch nach dem Koffer mit der Wahrheit
wurde gesucht, vergeblich. Die Exfrau des zu Tode Gekommenen, in ihrer Weiblichkeit
gekränkt und mit Füßen getreten, hatte den Verräter ihrer Liebe noch zu seinen
Lebzeiten aus ihrem Unbewussten zu drängen versucht; von Zeit zu Zeit rief sie
bei ihm an, ohne einen Ton zu sagen... oh, wie sie sich gleichen, all die
Einsamen, Verlassenen, die ihre Wut in den Telefonhörer schnauben, um sie zu
ersticken! Vor Angst, den Verstand zu verlieren, ging sie zum Psychotherapeuten
und heulte zwei Stunden lang - sie hatten doch so viele Jahre miteinander
verbracht! Der Therapeut - er hatte ein Glasauge und die Gewohnheit, es mit der
Hand zu beschirmen - wartete geduldig ab, bevor er den Vorschlag machte, sie
solle ihr zurückliegendes glückliches Leben als einen Videofilm betrachten, den
sie zu Ende geschaut habe, nun empfehle er ihn noch ein zweites Mal ganz
entspannt und mit geschlossenen Augen im Schnelldurchlauf anzusehen - was für
eine lächerliche Zappelei, zum Küssen schlugen die Nasen wie Schnäbel
gegeneinander, kopuliert wurde mit der Emsigkeit von Feldhamstern -, um die Kassette
anschließend aus dem Gerät zu nehmen und in den Müllschlucker zu werfen. Wir
haben im Haus keinen Müllschlucker, antwortete die Frau. Als sie schließlich
erfuhr, was passiert war, heulte sie von

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