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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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Neuem los, doch diesmal ganz anders:
Sie durfte sich jetzt eingestehen, ihn zu lieben, durfte an die gute Zeit
zurückdenken und diese Erinnerungen genießen. Es waren Wonnetränen nun, die
die Seele reinwuschen und Erleichterung brachten. Solange er am Leben gewesen,
hatte sie seiner nur in der Vergangenheitsform gedenken können - als wäre er
tot; nun war es geschehen, er war tatsächlich gestorben, sie musste sich nicht
mehr verstellen. Einmal, als sie in die leere Wohnung kam, spürte sie, dass in
ihrer Abwesenheit jemand da gewesen war. Alle Gegenstände lagen an ihrem
Platz, doch das Gefühl war sonderbar zwingend. Da die müden Beine schmerzten,
streckte sie sich auf dem Bett aus und nahm plötzlich den Geruch auf ihrem
Kopfkissen wahr: Es war sein Rasierwasser. Er hatte sie also aufgesucht. Und
das war gar nicht verwunderlich: Die Seele eines ermordeten Mannes will diese
Welt nicht verlassen, da eine ihn liebende Frau in ihr zurückbleibt, die seines
Schutzes bedarf. Wir möchten so gern glauben, dass uns nahestehende Menschen,
wenn sie aus dem Leben geschieden, doch nicht ganz für uns verloren sind,
sondern irgendwo in der Nähe, sodass sie uns in schweren Momenten beistehen
können... Viel ist schon geschrieben worden über die Relativität des Todes:
wenn sich plötzlich herausstellt, dass ein Toter lebt - und mit ihm alle, die
je eines natürlichen oder unnatürlichen Todes gestorben sind. Denn die
Graswurzeln leben fröhlich weiter, wissen nicht einmal, dass das Gras schon
zerkaut ist. Ein andermal beim Nachhausekommen fand sie auf dem halb blinden,
von Altersflecken überzogenen Großmutterspiegel eine schwungvolle Inschrift mit
Lippenstift vor - von seiner Hand. Darin teilte der Tote ihr mit, der Mörder
seien Sie. Was ja nicht fernliegt: dass man einen Mord dem Leibwächter
überlässt. Den Gärtner zum Bock macht sozusagen. So ist es am einfachsten und
sichersten, das leuchtet jedem ein. Und Sie fänden sich unversehens zwischen
Hammer und Amboss wieder. Den Auftrag anzunehmen hätte Folgen, ihn abzulehnen
bekäme einem genauso schlecht. Den Schwarzen Peter hatten nun Sie. Auch Tote
können selbstverständlich irren, aber... So nehmen die Ermittlungen eine neue
Wendung. Der Mord an dem Journalisten wird Ihnen zur Last gelegt. Sie sehen
sich gezwungen unterzutauchen. Die Geschichte gewinnt an Fahrt; um sich von dem
Verdacht reinzuwaschen, müssen Sie wohl oder übel den wahren Mörder finden,
und besser noch: die ganze unter die Räder gekommene Wahrheit ans Licht
befördern. Das ist nun schon ein richtiger Krimi. Unterdessen hatte die Exfrau
des Ermordeten einen Termin bei einer Wahrsagerin. Vor ihr hatte übrigens eine
Frau dort gesessen, die darum bat, ihre Familie von einem Fluch zu erlösen:
Binnen eines einzigen Jahres war ihr plötzlich und unerwartet der Mann verstorben,
die Tochter samt Schwiegersohn und Enkelkind bei einem Autounfall ums Leben
gekommen, der andere, von Geburt an schwer kranke Enkel mithin zur Waise
geworden, zu alledem hatte die Wohnung gebrannt. Im Zimmer der Wahrsagerin
duftete es nach Weihrauch, und der alte Baum vor dem Fenster barg unter seiner
Rinde Aufzeichnungen, die ein Käfer ins Holz gefressen hatte und in denen er
sein Käferleben beschrieb, keiner würde sie jemals lesen. Nachdem die
Wahrsagerin das vereinbarte Honorar im Umschlag entgegengenommen und
nachgezählt hatte, gab sie ihr auf die Frage, wie man am besten in Kontakt zu
einem Ehegatten tritt, der nicht mehr am Leben, aber trotzdem da ist, eine
Internetadresse: Dort würde sie, sobald der erste Stern am Himmel erschien,
mit ihm chatten können. Zur angegebenen Stunde befand sich in dem Chatroom nur
ein einziger Besucher. Er. Und sie interessierte nur eine einzige Frage, ihr
Zeigefinger hämmerte sie steif in die Tastatur: Liebster, warum hast du mich
verlassen? In seiner Antwort war vom Code eines Schließfachs am Weißrussischen
Bahnhof die Rede, doch sie beharrte auf ihrer Frage: Ich möchte nur wissen:
warum? Aber lassen wir die beiden eine Weile allein und schauen, wie es Ihnen
inzwischen erging. Nach Hause, wo man Ihnen gewiss schon auflauerte, konnten
Sie nicht mehr. Sie hatten Angst, dass man Ihrer Frau und dem Sohn etwas antun
könnte, auch wenn das Kind schon groß und gar nicht von Ihnen war, was für die
Liebe und den Fortgang der Geschichte absolut keine Rolle spielt, Sie fuhren
also zu einem alten Freund aus Armeetagen, der als Kind nicht genug mit
Zinnsoldaten gespielt hatte und deshalb

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