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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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von den festgefrorenen Exkrementen
freizuhacken.
    Antwort: Hast du
eine Ahnung, wer vor dir in dieser Wohnung gewohnt hat?
    Frage: Nein. Wohl
irgendein alter Mann.
    Antwort: Der vor
dir hier wohnte, das warst du. Der in den Nächten den Besen unten scharren
hörte und das Puppenstimmchen des Nachbarn, der wieder mal nicht schlafen kann.
Warum redest du nicht mal mit ihm?
    Frage: Ich habe
über ihn geschrieben.
    Antwort: Er ist
einsam.
    Frage: Dafür ist
dieses Haus ja gedacht. Lauter Einraumzeilen. Geeignet zur stillen Verpuppung.
    Antwort: Aber mit
wem wird der alte Mann seine Unrast teilen oder seine Freude? Den morgigen Tag?
Das Gefühl, dass ein Gewitter aufzieht? Dass bald wieder Herbst ist?
    Frage: Was soll
dieser Alte jetzt? Wir sprachen von der Liebe.
    Antwort: Eben.
Weißt du denn inzwischen, wer die weißen Stifte herunterwirft?
    Frage: Wie spät
ist es?
    Antwort: Gute
Frage! Minuten und Jahre - das sind Einheiten, die dem Leben fremd sind. Was
sie bezeichnen, gibt es nicht. Die Zeit misst sich nach der gewandelten Farbe
des Pferdes, das sein Maul nach einem Apfel reckt. Die Zeit ist eine
Nähmaschine, sie vernäht im Zickzackstich den überhitzten Hundezwinger voll mit
Heu, den leeren U-Bahn-Wagen mit dem vergessenen Notizbuch, das Prasseln der
fallenden Stifte vor dem Fenster und dieses zum Strick gewundene Laken. Und das
Buch, das da auf dem Boden herumliegt. Das man, wenn man will, gleich hinten
auf der letzten Seite aufschlagen kann und lesen, wie müde Wanderer, nachdem
alle Prüfungen durchlaufen sind, nach Verlust und Wiedergewinn, Verzweiflung
und neuem Glauben, mit zerschundenen Füßen und angekratzten Seelen, fühlbar
aufgeraut, zur Liebe erwachsen, an das Ende ihres langen Weges gelangen, an
jenes Meer, gehängt mit fernen Segeln wie ausgeblichenen Wäscheklammern an den
straff gespannten Horizont, wie sie tränenüberströmt einander in die Arme
fallen und sinnloses Zeug schreien, außer sich vor Glück.
    Frage: Aber wenn der
Punkt auf der letzten Seite der Zukunft schon gesetzt ist, dann lässt sich wohl
gar nichts mehr ändern? Was, wenn man am Leben noch etwas korrigieren möchte?
Jemanden wiederhaben? Zu Ende lieben?
    Antwort: Im
Gegenteil, es kann sich jederzeit alles ändern, selbst das, was schon war.
Jeder Mensch, den du durchlebst, ändert das, was davor war. Ein Frage- oder
Ausrufezeichen ist imstande, einen Satz zu verkehren - ein Schicksal auch.
Vergangenheit ist, was man schon kennt, doch indem man es bis zur letzten Seite
auslebt, wird es sich verändern.
    Frage: Man kann
also zurückblättern? Und der Schnee fällt nach oben? Akaki Akakijewitsch greift
zur Feder, hobelt jeden Buchstaben einzeln aus dem Manuskript und schüttelt
ihn ins Tintenfass? Eine Generation nach der anderen wird aus den Grüften ins
Leben zurückgeholt, nur Lazarus, der wird von Christus getötet? Wasser und
Land, Licht und Dunkel kehren ins Wort zurück?
    Antwort: Warum
nimmst du nie ernst, was ich sage? Du weißt doch genau, was ich meine: Was
einmal auf dem Blatt steht, geschieht dort wieder und wieder. Und wenn, als
meine Mutter noch am Leben war und ich sie einmal heftig kränkte, ich nachher
hinging und sie umarmte, mich an sie drückte und wir eine Weile so in der Küche
standen, dann stehe ich da heute noch immer mit ihr, das Gesicht im warmen,
sonnenbraunen Dreieck über dem weißen Streifen ihrer Brust vergraben. Und wenn
wir, du und ich, in irgendeinem Februar zusahen, wie das Bronzepferd langsam
einschneite - und zwischendurch schienen die Schneeflocken tatsächlich
aufwärtszufliegen -, so trägt es dieses Schneevlies bis heute auf dem Rücken.
Und hatte ich einmal diese plötzliche Anwandlung von Glück, einfach so, aus
heiterem Himmel - bis dahin war mir das Kämmen immer ein Graus gewesen, und nun
stehe ich nach dem Haarewaschen mit baumelndem Kopf, sodass die Haare nach vorn
fallen, fahre mit der hölzernen Haarbürste hindurch, und die kräftigen
Streichholzzinken scheuern sich durch das Dickicht, dass es knistert, knuspert
und quietscht -, so stockt mir noch heute in diesem Badezimmer der Atem vor so
viel grundlosem, aus dem Nichts geborenem Glück - ich bin glücklich, weil du da
bist und weil die Zinken mir die Nackenhaut kratzen wie scharfe, kleine Krallen
und weil ich den Kopf hängen lasse und die frisch gewaschenen Haare wie ein
schwerer, duftiger Vorhang fallen und weil es so viele sind, mein Haar ist
dicht und voll und feucht wie das Leben.
    Frage: Aber warum
willst du nicht

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