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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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noch
eigentlicher?
    Antwort: Einhundertfünfzig.
    Frage: Und in
Wirklichkeit?
    Antwort: Einen.
    Frage: Sag die
Wahrheit!
    Antwort: Weniger
als einen.
    Frage: Muss man
einer Mutter sagen, dass ihr Sohn auf hoher See ertrunken ist, oder soll man
sagen, er sei über alle Berge und komme nie zurück?
    Frage: Sag mir,
Sedrach, von der Erschaffung der Welt bis in alle Ewigkeit sind wie viele
Regentropfen zur Erde gefallen, und wie viele werden es noch?
    Frage: Und wenn
ringsum Schnee ist, nichts als Schnee - kann der rote Streifen vom
Schlüpfergummi auf der Haut dann nicht als Liane gelten?
    Antwort: Es wird
kein Jüngstes Gericht geben. Dergleichen steht nicht zu befürchten. Nichts, was
es nicht schon gegeben hätte. Panikmache! Und was kann eine alte Frau im blinden
Spiegel noch erschrecken? Mich, die ich aus Angst vor dem Alter am liebsten
gestorben wäre und deshalb mit einem langen Leben bestraft worden bin - womit
sollte man mich noch strafen können? Gut, ich hatte meine Lupe verlegt, den
halben Tag hab ich sie gesucht, während das Luder mich Närrin vom Herd aus
beobachtete. Schönheit im Alter? Hat sich was. Von der Gicht sind die Finger
krumm. Die Haut hängt wie eine gefälbelte Gardine. Runzlig bin ich und
zusammengeschnurrt wie ein totes Meerkätzchen. In meinem großen Bett kannst du
mich suchen. In schlaflosen Nächten grabe ich tief im Vergangenen. Grabe mir
mein Troja aus, das es vielleicht nie gegeben hat. Viel Sand, viel Mulm ist da
wegzuschaufeln, bis es doch einmal blinkt wie Porzellan. Achtung, Vorsicht! Hier
ist der Pinsel gefragt. Betrachte das Fundstück eingehend von allen Seiten, im
Licht und Gegenlicht, rieche daran, kratze mit dem Fingernagel... Meine erste
Liebe war ein Porzellanhündchen. Papa führte mich vor das Büfett und erklärte,
es sei kein gewöhnliches, sondern ein Zauberhündchen. Das mich lieb habe und
jeden Tag ein Bonbon für mich bereithalte, wenn ich fein artig gewesen sei. Er
nahm das Hündchen, zog ihm den Kopf ab - es war innen hohl - darinnen lag ein
Bonbon. Ich gab mir große Mühe, artig zu sein, und bekam täglich von meinem
Lieblingshündchen ein Zauberbonbon. Es schmeckte vorzüglich, einzigartig,
unvergleichlich, es war das wohlschmeckendste Bonbon auf der ganzen Welt. Bis
ich einmal ins Zimmer gestürmt kam und Papa auf den Knien vorfand mit einer
Papiertüte in der Hand, neben sich auf dem Fußboden das Hündchen ohne Kopf. Als
der Vater mich sah, wurde er schrecklich verlegen und streckte mir das Bonbon
entgegen, das er eben in den Hund hatte legen wollen. Ich schob es mir in den
Mund, doch es schmeckte gar nicht. Ich hatte eine Katzenallergie - mit sechs
fing das plötzlich an, keiner wusste, was los war. Ich wusste es, sagte aber
keinem etwas. Oder ich bildete mir ein, es zu wissen. Als kleines Kind hatte
ich nämlich eine Katze gehabt, die irgendwann alt genug war und sich ins Feld
verkroch, um zu sterben. Man weiß, dass Katzen sich zum Sterben zurückziehen.
Von da an begann ich zu keuchen, wenn eine Katze im Raum war. So auch, als es
mit einem Mann, den ich liebte, der aber verheiratet war, zum ersten Mal ernst
werden sollte. Wir waren zu ihm nach Hause gegangen. Die Frau war mit den
Kindern auf dem Land. Er küsste mich, und ich fing wenig später an zu japsen.
Ist hier irgendwo eine Katze?, fragte ich. Er verneinte. Doch ich spürte es. Und
sie hatten tatsächlich eine, die war auf der Datscha, aber ihre Haare waren
überall. Ich sagte zu ihm: Ich kann nicht, mir ist übel - und er glaubte, ich
mache nur Theater, denke mir aus Koketterie irgendwelche Geschichten aus. Fing
an, mich zu entkleiden, und ich bekam keine Luft mehr. Früher hätte ich mich
gefragt, wie das zusammengeht: dass ich hier sitze, mit der Lupe in der Hand,
und zugleich dort bin, ihn an mich ziehe und spüre, wie ich ohnmächtig werde,
sterbe, nicht atmen kann. Jetzt weiß ich: Das ist ganz normal. Alles geschieht
immerzu gleichzeitig. Du schreibst diese Zeile, die ich gerade lese. Du setzt
ans Ende dieses Satzes einen Punkt - und ich komme an diesen Punkt just zur
selben Zeit. Uhrzeiger spielen dabei keine Rolle, die kann man vor- und
zurückstellen. Auf die Zeitzonen kommt es an. Die Sprünge auf dem Zifferblatt.
Alles geschieht gleichzeitig, die Zeiger auf den Uhren gehen nur überall
anders. Schuld an dem Kuddelmuddel hat die Sonne, die vor dem Küchenfenster
aufgeht, und hinter der Zitrone im Zimmer gegenüber geht sie unter. Irgendwann
hab ich mal einen Zitronenkern in einen

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