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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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nicht tot! Er ist irgendwo und
wartet auf uns! Bei Romka hatte ich immer die Befürchtung, dass er es nicht
leicht haben würde - dass andere Jungs ihn verprügeln könnten oder so. Wenn es
um seine Mama ging, war er kämpferisch bis an den Rand der Hysterie, aber
Kindern gegenüber verhielt er sich ängstlich und scheu wie ein Reh. Er schwamm
zum Beispiel auch nicht gern im Teich - aus Angst, Kaulquappen zu verschlucken
oder von Blutegeln ausgesaugt zu werden. Und sein Mitleid mit allem und jedem
war grenzenlos. Einmal im kalten Winter brachte er einen Vogel mit nach Hause,
den er unterwegs aufgelesen hatte, hart und tiefgefroren - in der Annahme, wenn
man ihn auftaute, müsste er wieder zum Leben erwachen. Fantasie hat er! Kann
wunderbar mit sich selbst spielen. Zwei Teekessel zum Beispiel mit ihren
aufragenden Schnepfen waren zwei Elefanten, ein großer und ein kleiner, die
sich unterhielten. Oder als wir mal miteinander in der Sauna waren, mit viel
Hitze und viel Lärm, da sagte er auf einmal: Papa, mach mal so! - legte sich
die Hände flach auf die Ohren, nahm sie wieder weg, legte sie wieder auf - das
ergab ein schmatzendes Geräusch. So standen wir zu zweien und schmatzten mit
den Ohren. Abends brachte ich ihn immer zu Bett und las etwas vor. Wir haben
alles mögliche gelesen, von Robinson Crusoe über Gulliver und Münchhausen bis zu Jules Verne. Ganz allein bastelte er ein Seifen-U-Boot für
Kapitän Nemo. Und wir hatten ein Einschlafritual: Einer musste raten, wo der
andere am nächsten Morgen am liebsten aufwachen würde. Auf einer unbewohnten
Insel oder wo noch. Einmal wollte er von mir erraten haben: auf Käpten Nemos
Boot aufwachen, und das Brüderchen ist dort. Meistens schlief ich schneller ein
als er. Dann kam Tanja irgendwann herein, fand mich schlafend und Romka im Bett
sitzend, wie er mit Lego spielte oder ein Buch anschaute. Die Furcht, das alles
zu verlieren, ließ mich nicht los. Wenn ihnen nun irgendetwas passiert? Alles
Mögliche wäre doch denkbar. Ich habe Angst um sie.
    Frage: Alles wird
gut.
    Antwort: Ach ja?
    Frage: Glauben
Sie mir. Alles halb so wild.
    Antwort: Meinen
Sie?
    Frage: Ich weiß
es.
    Antwort: Woher
wollen Sie das wissen?
    Frage: Irgendwann
nimmt alles immer ein gutes Ende. So ist es doch jedes Mal: erst große
Aufregung, Angst, Kummer, Tränen, Verluste, und zu guter Letzt hat man es
hinter sich. Und mag manchmal gar nicht mehr glauben, was alles gewesen ist.
Wie ein schlechter Traum. Aus und vorbei.
    Antwort: Neulich
träumte mir hier, wie wir wieder in unserem Bett liegen, Romka kommt zu uns
unter die Decke gekrochen, wir streicheln von zwei Seiten Tanjas Bauch, und ich
frage sie: Ja sag mal, ist es denn gar nicht tot? Und Tanja sagt: Aber nein,
horch doch mal! Und ich streichle ihren Bauch und will mein Ohr anlegen und
habe auf einmal solche Angst, es könnte alles nur ein Traum sein, und in ihr
steckte doch nur der Tod, und gleich wachte ich auf und wäre wieder in der
kalten Zelle, in Handschellen, und müsste morgen früh, notdürftig vernäht,
zurück in die Baracke...
    Frage: Aber nicht
doch! Kein Grund zur Panik, alles ist gut, alles liegt hinter Ihnen. Sie haben
nichts mehr zu fürchten! Alles Übel, das einmal war, ist nur ein Albtraum
gewesen, gleich werden Sie aufwachen, und zwar genau dort, wo Sie im Ratespiel
mit Ihrem Sohn aufwachen wollten: in der Offiziersmesse aus Seife - das wollten
Sie doch, nicht wahr? Tanja wird da sein und Romka auch. Und sein Brüderchen
hat dort schon auf Sie gewartet. Dazu Ihre Mutter. Und die Schwester. Alle, die
Ihnen lieb und teuer sind.
    Und was
den menschlichen Körper angeht, der sich in die Zeit streckt und so allen Raum
mit seiner Liebe ausfüllt - das wird auf einmal alles ganz einfach und
sonnenklar sein. Romka wird sich nicht wieder einkriegen: ein ganzes
Unterseeboot! Alles darf man anfassen, an allen Kurbeln und Rädchen drehen,
Tasten und Knöpfe drücken, Riegel und Ventile schieben, Hebel umlegen... Und
Käpten Nemo leibhaftig wird ihm seine schweißige, speckige Mütze auf den Kopf
stülpen, die ist innen noch ganz heiß.
     
    Am Morgen
rückten die Heerscharen gegen Babylon vor. Schon war es um die Zeit, da sich
der Markt füllte, und der Rastplatz war nahe, wo Kyros haltmachen wollte, als
Pategyas, ein tüchtiger Perser aus seinem Gefolge, in vollem Galopp auf
schweißbedecktem Pferd heranjagte. Allen, denen er begegnete, schrie er
persisch und griechisch zu, der Großkönig nahe mit einem großen Heer,

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