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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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geschneiderte Rolle, steigerte sich hinein:
engelhaftes Waisenkind, auf der Müllkippe des Lebens gelandet. Zum Studium
angereist, beraubt worden, vergewaltigt - so die Legende. Ihr gediegenes
Make-up - sie ist gelernte Visagistin - wird überschminkt. Eine Spur Blau an
die unteren Lider, um eine leichte Erschöpfung anzudeuten, die der Schönheit
und Attraktivität keinen Abbruch tut. Der makellosen Maniküre werden winzige
Trauerränder verpasst. Die prallen Lippen etwas bleicher getönt. Leicht
derangiertes Outfit, nicht abstoßend. An sichtbarster Stelle - der schmalen
Schulter - klafft die Ärmelnaht, darunter ist eine kleine Schürfwunde zu
erkennen. Nur im Winterland heiratet Chloe jedes Mal den Spatz in der Hand, im
Mlywo strebt sie nach Unerreichbarem. Daphnis muss bis Freitag das Geheimnis
der Unsterblichkeit finden und sie - Daphnis. Und jedes Mal, wenn sie denkt,
da ist er ja, mein Lieber, mein Einziger, mein Schnorchelchen - in ihren Armen,
da ist es wieder nicht Daphnis, sondern Pan, der hat die Pitys geliebt, hat die
Syrinx geliebt, nie hört er auf, die Dryaden zu plagen, und lässt den Nymphen
keine Ruhe. Einmal, sie weidete Ziegen, spielte und sang, trat Pan als Daphnis
vor sie hin und wollte sie zu seinen Wünschen bereden, versprach, all ihre
Ziegen sollten Zwillinge werfen, sie gab ihm, was er begehrte, und er, befriedigt,
vollführte noch ein paar federnde Sprünge durch das Zimmer, als wäre es ein
Boxring, markierte auch ein paar Schläge gegen einen unsichtbaren Rivalen.
Brust und Schultern glänzten wie ein Harnisch vor Schweiß. An einem Nagel über
dem Sofa hingen die Boxhandschuhe, im Schrank hinter Glas standen Siegerpokale.
Daphnis, rief sie, mein Geliebter! - Warum hast du nicht gesagt, dass es dein
erstes Mal war, Dummchen!, sagte Pan. Chloe, den Irrtum gewahrend, reagierte
nüchtern. Gib mir die Handschuhe! Pan, belustigt ob so viel jungfräulicher
Keckheit, half Chloe sie anzuziehen, sie waren groß und schwer wie Ledersofarollen.
Er hob die flache Hand: Schlag zu! Aber Chloe schlug ihm überraschend nicht auf
die Hand, sondern ins Gesicht, und gleich noch mal und noch mal, so hart sie
konnte, wütend und verzweifelt. Verdutzt sprang Pan zurück, befühlte seine
Nase, dann lachte er: Aber hallo! Er fing an, ihren Vorstößen auszuweichen,
dabei sprang er kreuz und quer durch den Zimmerring, mit Seitfallschritten mal
nach links, mal nach rechts, dabei gab er ihr einen Klaps auf den Hintern.
Weiter so! Immer feste! Dass sie keine Treffer mehr im Gesicht landen konnte,
entfachte ihre Wut. Sie fegte versehentlich ein Glas vom Tisch. Die Vase vom
Fernseher schon mit Absicht. Dann ging sie zu den Scheiben der Vitrine und den
Pokalen über. Mit einem Kinnhaken setzte Pan sie außer Gefecht. Verheult, die
Hand am schmerzenden Jochbein, trollte sie sich nach Hause. Legte sich Schnee
auf die Wange. Aus dem grauen Himmel rieselte es leicht und hell. Unterwegs
ging sie noch in einen Laden, Milch für die Katze kaufen. Chloe hatte eine
Katze, die es liebte, wenn Besuch kam und sie sich von Hand zu Hand schmeicheln
konnte. Jetzt, solange keiner anwesend war, sprang sie ins Fenster, machte es
sich in der offenen Luke bequem und fing mit der Pfote Schneeflocken. Dann
gähnte sie - und keiner war da, der ihren großen, gerippten Katzenrachen
bestaunen konnte. Alles Unsichtbare übt einen Reiz aus. Und wenn man vom
Handschuh spricht, muss man das Sichtbare ebenso wie das Unsichtbare von ihm
wissen. Denn von diesem Unsichtbaren gilt es zu berichten. Chloe nicht vor sich
zu haben und doch alles von ihr zu wissen, jede Kleinigkeit, auch wie sie zur
Tunguska Wasser holen geht und das Beil mitnimmt, um die Eisschicht
aufzuhacken, die das Loch schon wieder bedeckt. Um nicht ständig gehen zu
müssen, haben Chloe und ihre Mutter kubanische Zuckersäcke voll mit Eisbrocken
in der Kälte der Scheune liegen, damit füllen sie ein Fass in der Küchenecke,
worin das Eis dann vor sich hin taut. Und kurze Zeit nach dem Eisgang kann man
das Haus schon wieder nicht mehr ohne Mückennetz verlassen. Man zieht Watteklamotten
an, fettet sich mit Wagenschmiere ein. Geht man in den Wald, ist schon auf dem
Weg dorthin das dichte, monotone Sirren zu hören. An windigen Tagen treibt es
die Mückenwolken bis in den Ort herein. Sie kleben an den Mauern wie ein Belag,
man könnte meinen, dem Haus wäre ein Fell gewachsen. Drei-, viermal während des
Sommers müssen die Räucherfässer zum Einsatz kommen: In einem

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